Von Hadija Haruna-Oelker und Sonja Kirste
Der Hessische Rundfunk verfolgt in seiner aktuellen Strategie das Leitmotiv, die Vielfalt der Menschen in Hessen abzubilden. Für das dortige Volontariat sollten wir deshalb passende, angehende Journalist:innen finden. Wir, das sind neun, fast ausschließlich freie Mitarbeiter:innen, die in unterschiedlichen Bereichen arbeiten und Unterschiedliches mitbringen: weiblich, männlich, jünger, älter, queer und hetero, weiß, Schwarz und PoC, mit und ohne Migrationsgeschichte, journalistische Quereinsteiger:innen, mit fachlichen Skills im Bereich Personalwesen, Journalismus, Diversitätsbewusstsein und Digitalität.
Uns einzusetzen bedeutet für die Geschäftsleitung und den Intendanten, die Verantwortung für den gesamten Auswahlprozess abzugeben und uns als unabhängige Kommission entscheiden lassen. Ein Novum.
Journalist:innen der Zukunft gesucht
Schnell wurde klar, dass wir an vielen Stellschrauben würden drehen müssen. Wir formulierten eine direkte und junge Ausschreibung per “Du”. Wir veränderten die Zugangsvoraussetzungen, um andere Lebensläufe als bisher zu honorieren, stellten Fragen zur individuellen Motivation, verabschiedeten uns von der Hürde eines abgeschlossenen Studiums und wollten auch keinen Bonus, der Bewerber:innen mit Migrationsgeschichte oder einer Behinderung automatisch eine Runde weiter bringt. Unser Ziel war es, interessante Menschen, ihre Gedanken und ihre Potentiale kennenzulernen.
Die Ausschreibung verschickten wir über unterschiedliche Verteiler wie die der Neuen Deutschen Medienmacher:innen oder Leidmedien. Wir produzierten Videos für Plattformen wie YouTube oder Instagram mit der Botschaft: “Wir suchen die Journalist:innen der Zukunft” und zeigten mit unterschiedlichen Protagonist:innen aus dem Haus, was wir unter Vielfalt verstehen. Der Kritik bewusst, dass die wenigsten Redaktionen bei uns schon diese Gesellschaft in ihrer Vielfalt präsentieren, wollten wir potentiellen Bewerber:innen damit signalisieren: Ihr seid eingeladen.
Im Auswahlverfahren ging es nicht aber nur um die Bewerber:innen, sondern auch um Selbstreflexion. Wir besprachen, welchen Einfluss unbewusstes, stereotypes Denken (Bias) auf unsere persönlichen, inneren Entscheidungen haben kann, einigten uns auf klare Auswahlkriterien und darauf, dass wir bei jeder Job-Einstellung eine einstimmige Entscheidung erzielen wollen.
"Noch nie haben es so viele Bewerber:innen mit nachweislicher Migrationsgeschichte in unser Assessment-Center geschafft wie in diesem Jahr."
An den vier Tagen Assessment Center begegneten wir 36 Menschen (von rund 300 Bewerber:innen) mit den unterschiedlichsten Facetten und Fähigkeiten. Noch nie haben es so viele Bewerber:innen mit nachweislicher Migrationsgeschichte in unser Assessment-Center geschafft wie in diesem Jahr. Deshalb formulierten wir kurz vor der Endauswahl ein Wunschziel. Mindestens sechs der 12 Volontär:innen sollten eine Migrationsgeschichte mitbringen. Entscheidend sollte die Qualifikation mit drei wesentlichen Markern sein: journalistisches Potenzial, digitales Mindset und Diversitätsbewusstsein. Schlussendlich haben wir unser Ziel überschritten und es ging so einfach. Im HR volontieren im aktuellen im Jahrgang acht junge Journalist:innen mit einer Einwanderungsgeschichte und vier ohne.
Hadija Haruna-Oelker, freie Redakteurin, Autorin und Moderatorin, Hessischer Rundfunk, Mitglied der Neuen deutschen Medienmacher*innen und bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). Foto: Katarina Ivanisevic
Sonja Kirste, freie Redakteurin, Hessischer Rundfunk, Aktivistin und Bloggerin für Eltern- und Kinderrechte. Foto: privat