Von Edith Heitkämper
Die Situation von Frauen im Journalismus hat sich in den letzten Jahren nur langsam verbessert. Zwar arbeiten in den meisten Redaktionen Frauen und Männer gleichberechtigt nebeneinander, der journalistische Nachwuchs ist oft weiblich. Wenn es aber an die Führung geht, sind Frauen klar im Nachteil.
Der Verein “ProQuote Medien” zählt seit mehr als acht Jahren den Anteil von Frauen in journalistischen Führungspositionen. Dabei werden halbjährlich acht Leitmedien aus Print und Online betrachtet, darunter Spiegel, Stern, Zeit oder Süddeutsche Zeitung. Der Machtanteil von Frauen – das ist die gute Nachricht - hat sich seit der ersten Zählung 2012 im Schnitt immerhin von 13,7 Prozent auf 28,3 Prozent mehr als verdoppelt.
Doch das heißt auch: heute sind noch mehr als zwei Drittel der Führungspositionen fest in Männerhand. Bei „Bild“, „Welt“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ haben Männer sogar drei von vier Spitzenpositionen inne, und Schlusslicht „Focus“ gibt gerade einmal 15,2 Prozent Frauen in Verantwortung. Das ist weit entfernt von Diversität und einem gerechten Frauenanteil.
In weiten Teilen des Journalismus sieht das nicht besser aus. ProQuote hat in zwei großen Medienstudien die Situation von Frauen in den Führungsetagen beleuchtet – im Jahr 2018 in den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten, im Folgejahr in zahlreichen Print- und Onlinemedien deutschlandweit.
Die Ergebnisse: Einige wenige Rundfunkanstalten wie rbb (51,0%) oder die Deutsche Welle (51,9%) erreichen eine ausgeglichene weibliche Teilhabe an Spitzenpositionen. Die meisten Sendeanstalten sind aber klar männerdominiert mit einem Frauenanteil von knapp einem Drittel. Einige, wie der Saarländische Rundfunk (25,6%) und Deutschlandradio (24,3%) und private Rundfunkanstalten wie die RTL Mediengruppe (21,4%) schneiden noch schlechter ab.
In den Print- und Onlinemedien ist der Einfluss von Frauen in den Führungsetagen, je nach Bereich, unterschiedlich groß. Bei den Publikumszeitschriften liegt die Frauenmacht in den Chefredaktionen bei erfreulichen 48,9 Prozent. Allerdings zeigen sich Unterschiede in den Segmenten: Frauenzeitschriften und Hefte mit Schwerpunkten wie Haus und Garten oder Unterhaltung werden größtenteils von Frauen geleitet. Redaktionen mit Schwerpunkten Wissen und Technik, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft stehen meist unter männlicher Führung. Und digital sieht es kaum besser aus: in den 100 reichweitenstärksten redaktionellen Online-Angeboten beträgt der weibliche Führungsanteil im Durchschnitt 30 Prozent.
Wenig divers: Regionalzeitungen
Erschreckend sind die Ergebnisse bei den 100 untersuchten Regionalzeitungen. Sie erweisen sich als die größte Männerdomäne. Von den 108 Chefredakteursstellen sind lediglich 8 weiblich besetzt, ein Frauenanteil von mageren 7,4 Prozent. In den Regionalzeitungen herrscht demnach die geringste Diversität in den Führungspositionen.
Um mehr Geschlechtergerechtigkeit durchzusetzen, fordert der Verein – wie sollte es anders sein – eine Quote. „Wir sind die Hälfte, wir wollen die Hälfte“, so der Slogan. Das Wort “Quote” polarisiert. Doch was längst selbstverständlich sein sollte, lässt sich anders als mit einer Quote nicht in absehbarer Zeit verwirklichen – außer, man strebt die Parität in den Chefetagen erst 2053 oder gar in der ersten Hälfte des 22. Jahrhunderts an. Denn so lange würde es – je nach Rechenmodell - dauern, wenn es für Frauen im jetzigen Tempo weiterginge.
Was wurde schon erreicht?
Einiges aber hat sich schon geändert, seitdem ProQuote Medien gegründet wurde: nicht zuletzt die öffentliche Wahrnehmung des Problems. Inzwischen wird über gleiche Chancen für Frauen und Männer im Journalismus gesprochen, zum Beispiel beim Thema Equal Pay. ProQuote Mitglied Birte Meier hatte Erfolg bei ihrer Klage gegen das ZDF wegen ihrer ungerechten Entlohnung im Vergleich zu der männlicher Kollegen. Bei Twitter oder Instagram werden weibliche Führung und Quote vieldiskutiert. Dennoch: der berühmte „Thomas-Kreislauf“, bei dem Chef Thomas eine jüngere Kopie seiner selbst auf einen Posten hebt, ist auch in den Medien weiterhin gängige Praxis. Die Diagnose von ProQuote: immer noch zu viele Quotenmänner in den Führungsetagen – und zu wenige Quotenfrauen, die diesen Titel mit Stolz und Selbstbewusstsein tragen.
Was alle für mehr Diversity tun können
Auf dem Weg zu einem gerechteren, diverseren Journalismus kann jede: etwas tun. Frauen sollten einander in Redaktionskonferenzen unterstützen. Sich bewusst gegenseitig loben, ja geradezu „Lobekartelle“ bilden. Auf der Suche nach Expert:innen in journalistischen Beiträgen können Journalist:innen gezielt Frauen ansprechen. ProQuote Medien hat unter dem Hashtag #Coronaexpertin eine Liste mit Wissenschaftlerinnen angelegt, um Redaktionen bei der Suche zu unterstützen. Frauen: eine Stimme geben, sei es in der Redaktion oder außerhalb – ein erster Schritt zu mehr Wahrnehmung, zu Gleichberechtigung und Diversität.
Edith Heitkämper ist Vorsitzende des Vereins ProQuote, der sich für eine 50-prozentige Frauenquote in den Führungspositionen von Medien einsetzt. Außerdem arbeitet sie als Redakteurin beim Gesundheitsmagazin Visite im NDR Fernsehen und schreibt über Medizin- und Gesellschaftsthemen für Stern, Brigitte und Psychologie Heute. Foto: Ulla Brauer/ NDR