Es ist es wichtig, klare Ziele festzulegen

Beim Thema Vielfalt in der Medienbranche setzt die BBC weltweit Standards. Im Interview gibt Miranda Wayland Tipps für Diversity-Neulinge.

Ein Interview mit Miranda Wayland

Beim Thema Vielfalt in der Medienbranche setzt die britische BBC weltweit Standards. Im Interview erklärt Miranda Wayland, Leiterin der Abteilung „Creative Diversity“ der BBC, wie Diversität im Sender verwirklicht wird, warum das Erreichen von Quoten nur der Anfang ist und was Medienunternehmen tun können, die sich gerade am Anfang ihrer Reise zu gesellschaftlicher Repräsentation befinden. 

Warum braucht es Quoten für eine Diversity-Strategie? 

Quoten geben unseren Mitarbeiter:innen und Führungskräften ein Ziel, das sie anstreben und einen Rahmen, in dem sie arbeiten können. Sie stellen sicher, dass jede:r bei der BBC dafür verantwortlich ist, dass unsere Inhalte und unsere Belegschaft so vielfältig sind, wie sie sein sollen und dass die Teams verstehen, worauf sie hinarbeiten sollen und wissen, was die BBC hier von ihnen erwartet. Sie machen es auch möglich zu evaluieren, zu sehen wo Verbesserungen nötig sind und unsere Herangehensweise zu ändern. Unsere Quoten werden laufend angepasst, zum Beispiel, wenn sie erreicht wurden oder wenn neue Diversity-Ziele verfolgt werden sollen.

Wie wird die Quote der BBC festgelegt? 

Wir nutzen die Daten der Volkszählung von 2011, um sicherzustellen, dass unsere Belegschaft und Berichterstattung das moderne Großbritannien widerspiegelt. Die BAME-Diversität (black, asian and minority ethnic) liegt heute bei schätzungsweise 15 Prozent. Und genau das spiegelt unsere Quote wider. Dasselbe gilt für die Gleichstellung von Frauen, wo wir einen 50% Anteil wollen, den wir auch für die Leitungsebene anstreben. 

“Keine Führungskraft kann befördert werden, ohne nachzuweisen, was sie effektiv getan hat, um unsere Diversity-Ziele zu erreichen."

Wie verbindlich sind diese Ziele? 

Was die Bedeutung von Diversität und Inklusion bei der BBC angeht, hat sich unser neuer Generalintendant Tim Davie eindeutig geäußert, als er sagte: „die Verbesserung von Diversität ist von entscheidender Bedeutung“. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir zahlreiche interne Vorgaben, die uns helfen, unseren Fortschritt zu überwachen. Jede Abteilung hat den Auftrag, bestimmte Aktionspläne umzusetzen, die sie in die Lage versetzen, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Jedes Quartal kommen die Mitglieder der Geschäftsführung zusammen, um die Entwicklungen zu besprechen. Keine Führungskraft kann befördert werden, ohne nachzuweisen, was sie effektiv getan hat, um unsere Diversity-Ziele zu erreichen. 

Wie werden Daten über das BBC-Personal gesammelt?

Das Personalwesen der BBC bietet uns drei Möglichkeiten, um Diversitätsdaten unserer Kolleg:innen zu erhalten. Die erste Möglichkeit: Neu eingestellte Kolleg:innen erhalten zusammen mit ihrem Arbeitsvertrag ein Formular zur Chancengleichheit. Dies ist eine äußerst effektive und effiziente Möglichkeit, diese Informationen zu sammeln. Wir erklären den Kolleg:innen, warum diese Daten notwendig sind und versichern, dass die Informationen keinen Einfluss auf ihren Arbeitsvertrag haben. Alle zwei Jahre führen wir außerdem eine interne Erhebung durch. Dadurch können wir Lücken in unseren Daten schließen und sicherstellen, dass unsere Zahlen belastbar und aktuell sind.

Vertrauen in die Verwendung unserer Daten ist für unser Unternehmen und unsere Kolleg:innen unabdingbar. Datenschutzgesetze sehen vor, dass die Daten einer Person nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung verwendet werden dürfen. Wir stellen sicher, dass nur eine kleine Handvoll Personen auf die Rohdaten zugreifen können. Die Auswertungen nutzen wir, um unsere strategische Ausrichtung zu gestalten und Maßnahmen für eine noch stärkere Inklusion umzusetzen. 

Ziel ist es, bei all dem völlig transparent zu sein. Wir stellen mehr Daten zur Verfügung, als jeder andere britische Sender. Dazu gehören Informationen zum Gender-Pay-Gap, Equal-Pay und der Zusammensetzung der Belegschaft. Das tun wir auch, weil wir uns verpflichtet fühlen, jede Frage über unsere Daten beantworten zu können – bequeme und unbequeme. 

"Wir haben erkannt, dass Zahlen allein wenig aussagen, wenn man nicht auch an einer inklusiven Unternehmenskultur arbeitet."

Funktioniert die Diversity-Strategie der BBC?

Aus Unternehmenssicht machen wir seit der Umsetzung unserer „Diversity and Inclusion Strategy“ von 2016 Fortschritte. In dieser Zeit  haben wir vor und hinter der Kamera zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, die zu größerer Representation geführt haben. Fiktionale Programme wie Gentleman Jack, A Very British Scandal, Crip Tales, Years and Years, Doctor Who, All of us, Killing Eve oder Small Axe and Antony zeigen Vielfalt auf eine positive Weise und tragen so zu einer Normalisierung der Agenda bei. 

Für die Jahre 2016 bis 2020 haben wir uns ambitionierte Diversity-Ziele gesetzt. Ende 2020 konnten wir einerseits feststellen, dass wir einige dieser Ziele erreicht und übertroffen haben. Wir haben aber auch erkannt, dass wir noch mehr tun müssen, um das moderne Großbritannien abzubilden. Unsere neue Strategie wird sich in den kommenden Jahren besonders auf diesen Aspekt konzentrieren. 

Wir wissen, dass jede:r Kolleg:in andere Erfahrungen macht. Wir haben erkannt, dass Zahlen allein wenig aussagen, wenn man nicht auch an einer inklusiven Unternehmenskultur arbeitet. Eine inklusive Unternehmenskultur, die unsere Talente und ihren vielfältigen Hintergründen, Erfahrungen und Kenntnisse unterstützt, verringert das Risiko, dass Kolleg:innen den Sender mitten in ihrer Karriere wieder verlassen. Es bringt nichts, vielfältige Talente anzuwerben, wenn ihre Erfahrungen dann so schlecht sind, dass sie gleich wieder gehen. Wir arbeiten daran, ein wirklich inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen und zu einem Punkt zu kommen, an dem wir unsere Ziele auf organische Weise erreichen. 

“Es bringt nichts, vielfältige Talente anzuwerben, wenn ihre Erfahrungen dann so schlecht sind, dass sie gleich wieder gehen.” 

Wie schafft man eine inklusive Unternehmenskultur? 

Ausgehend von unserem Diversity-Bericht 2018 haben wir Gespräche in Fokusgruppen mit unterrepräsentierten Mitarbeiter:innen geführt. Wir wissen, dass ihre Erlebnisse oft mit den eigenen Vorgesetzten verknüpft sind, deshalb haben wir viel mit unseren Führungskräften gearbeitet. „Leadership matters“-Programme, verpflichtende Trainings in Unconscious-Bias und Cultural Awareness und Sensibilisierung gegenüber Behinderungen sind nur einige der Maßnahmen, die wir für unsere Führungskräfte eingeführt haben. 

Mit Hilfe der Evaluierung dieser Maßnahmen haben wir eine Liste von Empfehlungen in unseren fünf Schlüsselbereichen erstellt: Behinderung, sozioökonomische Diversität, Gender, BAME und LGBTQ+. Der Bericht umfasste auch Aspekte wie Role Models, stringente Abläufe und Strategien. Wir hielten es auch für wichtig, noch eine Phase zu starten, in der wir uns mit den Erfahrungen unserer Kolleg:innen auseinandersetzen. Das ist immer der herausforderndste Teil. Ein gewissenhaftes Monitoring und die Quantifizierung von kulturellen Erfahrungen kann eine schwierige Sache sein und erfordert eine ehrliche Reflexion und schwierige Gespräche zum Beispiel über Ethnizität (race) und Vorurteile. Diese Probleme anzuerkennen, ist ein wichtiger Schritt, um eine inklusive Kultur und eine solide Grundlage für Veränderungen zu schaffen. 

Wenn sie solche Gespräche führen wollen und Mitarbeiter:innen sich öffnen sollen, müssen sie geschützt werden. Man muss sicherstellen, dass sie keine Angst haben, deswegen ihren Job zu verlieren, dass sie wissen, dass die Organisation sie unterstützen wird. Das braucht vor allem Vertrauen auf beiden Seiten. 

Wir ermuntern unserer Führungskräfte, sich verletzlich zu zeigen und offen und ehrlich über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Damit befähigen sie ihre Kolleg:innen, genauso offen über ihre Erfahrungen am Arbeitsplatz zu berichten. 

“Wir ermuntern unserer Führungskräfte, sich verletzlich zu zeigen und offen und ehrlich über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Damit befähigen sie ihre Kolleg:innen, genauso offen über ihre Erfahrungen am Arbeitsplatz zu berichten.” 

Wenn Medienbetriebe diverser werden wollen, wo sollen sie anfangen?  

Wir wissen, dass es in anderen Ländern datenschutzrechtliche Hürden gibt, die es schwierig machen können, alle Formen der Vielfalt anzugehen und den Fortschritt zu überwachen und zu messen. Ist ein bestimmter Diversitätsbereich identifiziert, ist es wichtig, klare Ziele festzulegen. Diese müssen effektiv kommuniziert, überwacht und gemessen werden und rechenschaftspflichtig sein.  

Medien, die sich auf die Reise in Richtung Vielfalt machen wollen, sollten sich zuerst auf ihre Inhalte, die Vielfalt in ihrem Programm, also auf ihren journalistischen Output fokussieren. Eine Maßnahme, die sie umsetzen könnten, ist BBCs 50:50-Projekt für Gender-Gerechtigkeit. Sie können sich auch zum Ziel setzen, ihre Zuschauer- und Leser:innenschaft in unterrepräsentierten Gruppe zu erhöhen. Bei der Vogue hat das dazu geführt, dass sie mehr Bilder und Artikel über BAME veröffentlicht haben. 

Den eigenen Output diverser zu gestalten ist ein wirkungsvolles Instrument, um schwer erreichbare Zielgruppen anzusprechen. Ihre Inhalte müssen aber authentisch und genau sein und sie müssen die verschiedenen Gruppen widerspiegeln, die Sie ansprechen wollen. Die Nutzung sozialer Medien als Teil ihres Recruitings ist ein effektiver Weg, um vielfältige Talente anzusprechen und unterrepräsentierten Gruppen Chancen zu bieten. 

“Es ist es wichtig, klare Ziele festzulegen. Diese Ziele müssen effektiv kommuniziert, überwacht, gemessen und rechenschaftspflichtig sein.”

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Sie ohne viel Aufwand zeigen können, dass sie sich größerer gesellschaftlicher Repräsentation verpflichtet fühlen: Überprüfen sie die Barrierefreiheit Ihrer Website, sodass auch Menschen mit Behinderungen auf ihre Inhalte zugreifen können. Inklusive und repräsentative Bilder von Menschen verschiedenster Hintergründe sorgen dafür, dass auch potenzielle Bewerber:innen verschiedenster Hintergründe sie als möglichen Arbeitgeber wahrnehmen. 

Die Fokussierung auf den Output kann es ihnen auch ermöglichen, eine breitere Diskussion im Haus zu über Diversity führen, ohne dass sich ihr derzeitiges Personal bedroht oder übergangen fühlt. Vielfältige Inhalte sorgen dann von allein für Impulse und führen zu Diskussionen darüber, wie Diversity auch innerhalb der Belegschaft verwirklicht werden kann.

In der gesamten Branche wird es für Unternehmen immer wichtiger, die 16- bis 24-Jährigen und unter 35-Jährigen zu erreichen. Sie sind eine der vielfältigsten Zielgruppen mit denen wir je zu tun hatten: vielfältig in ihrem Geschmack, ihren Interessen, gesellschaftlichen Ansichten, in ihrer Art, mit Inhalten umzugehen. Dies richtig zu verstehen und mit diesen Gruppen in Kontakt zu treten, ist entscheidend für unseren weiteren Erfolg. Wir müssen sicherstellen, dass sie unsere Inhalte als Mehrwert für ihr Leben sehen. Und wir müssen sicherstellen, dass wir unterschiedliche Erfahrungen und die Geschichten lokaler Communitys widerspiegeln. Wenn wir eine breite Palette an Kreativen und Reporter:innen mit unterschiedlichen Erfahrungen bei uns beschäftigen, hilft uns das, diese Geschichten zu kreieren und zu erzählen.

“In der gesamten Branche wird es für Unternehmen immer wichtiger, die 16- bis 24-Jährigen und unter 35-Jährigen zu erreichen. Sie sind eine der vielfältigsten Zielgruppen mit denen wir je zu tun hatten.”

Gibt es ein gutes Beispiel dafür, wie Diversität wirkt? 

Wir haben eine ganze Reihe von Programmen, die ihre gesellschaftliche Repräsentation gesteigert, Vielfalt normalisiert und Altbewährtes in frage gestellt haben. Ein gutes Beispiel is „Doctor Who“. Die Serie läuft seit 57 Jahren und ist ein etabliertes und beliebtes Programm mit globaler Anziehungskraft. Als 2018 der neue Showrunner Chris Chibnall die Serie übernahm, wurde Jodie Whittaker die erste weibliche „Doctor Who“ überhaupt. Zum ersten Mal übernahm damit eine Frau die Hauptrolle der Serie, zum ersten Mal standen der Rolle zwei Begleiter:innen of Color zur Seite, zum erste Mal gab es Folgen über Rosa Parks und die Teilung Indiens. Auch was die Repräsentation von LGBTQ+ angeht, blickt „Doctor Who“ seit seiner Rückkehr im Jahr 2005 auf eine starke Geschichte zurück: zum Beispiel gab es 2017 die lesbische Begleiterin Bill Potts. Executive Producer Matt Stevens hat versprochen, dass die Repräsentation von LGBTQ+ fortgesetzt wird – mit Charakteren „quer über das Spektrum“.

Miranda Wayland ist Head of Creative Diversity bei der BBC. In dieser Funktion setzt sich für Vielfalt in der Kreativbranche ein und arbeitet mit den wichtigsten Interessenvertreter:innen zusammen, um die Diversity-Ziele der BBC zu erreichen. Ihr besonderer Fokus liegt dabei auf Produktion, Inhalten, Zulieferer:innen sowie Kooperationen mit weiteren Akteur:innen der Kreativbranche. Wayland ist außerdem Mitglied im Senior Content Board der BBC, das sie in allen Belangen berät, die mit Vielfalt und Inklusiven zu tun haben.

Foto: BBC