Die EU hat die EU-Grenzen „geöffnet”

 

Das Narrativ

EU-Institutionen und Politiker*innen der Europäischen Union hätten die EU-Grenzen „geöffnet“, um Geflüchteten einen einfachen Zugang zu Europa, besonders nach Deutschland, zu ermöglichen. Damit solle für gezieltes Chaos in Deutschland gesorgt werden.

 

Die Argumentation

Im September 2023 besuchte Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, auf Einladung der italienischen Regierung die Mittelmeerinsel Lampedusa.1 Kurz darauf verbreiteten sich in den Sozialen Netzwerken Behauptungen, dass der EU- Grenzschutz im Mittelmeerraum „deaktiviert” worden sei. Der Weg nach Europa stünde seither für Millionen von Geflüchteten, vor allem aus Nordafrika, offen. Es wird nicht konkretisiert, welche EU-Institution aus welchem Grund diese Entscheidung getroffen habe.

Das Narrativ legt seinen Fokus auf die dramatische Lage auf der Insel Lampedusa. Es vermittelt den Eindruck, dass das auf Lampedusa herrschende Chaos außer Kontrolle geraten sei und bald auch in Deutschland herrschen werde. Denn „Millionen“ von Geflüchteten befänden sich bald auf dem Weg von Lampedusa nach Deutschland und würden eben dieses Chaos mitbringen. Um das Narrativ zu begründen, werden Videos und Fotos von der Situation auf Lampedusa geteilt, die zum Teil gefälscht sind.

Dieses Narrativ läuft in seiner Zuspitzung auf die antisemitische Verschwörungserzählung des „großen Austausches“ hinaus. Diese behauptet, dass eine gezielte „Umvolkung“ stattfände, bei der die einheimische Bevölkerung durch Migration systematisch durch nicht-europäische „Völker“ ersetzt würde. Mehr Informationen dazu bei Krautreporter.

 

Keywords, die ein Hinweis auf das Narrativ sein können

‘Flüchtlings-Verschwörung’ (antisemitischer Code) I ‘Heimatschützen’

 

Gegenargumente

Die Behauptung, dass der Grenzschutz der Europäischen Union (EU) im Mittelmeer aufgehoben wurde, ist falsch.

Die EU-Agentur Frontex ist weiterhin für den Schutz der europäischen Außengrenzen verantwortlich.2 EU-Rat und Europaparlament haben sich im Dezember 2023 auf eine weitreichende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt, die eine deutliche Verschärfung der Asylbestimmungen vorsieht und zu einem härteren Umgang mit Migrant*innen ohne Bleibeperspektive führt. Neben der Einführung strengerer Grenzkontrollen sieht sie unter anderem einheitliche Verfahren an den Außengrenzen und eine Neuregelung bei der Verteilung von Geflüchteten vor. Eine Aufhebung des Grenzschutzes ist demnach keineswegs zutreffend.3

Bei ihrem Besuch auf Lampedusa im September 2023 kündigte von der Leyen keine Einstellung des EU-Grenzschutzes an. Stattdessen sagte sie Italien Unterstützung durch die Europäische Kommission und Frontex zur Bewältigung des hohen Andrangs von Geflüchteten zu. Außerdem präsentierte sie einen 10-Punkte-Plan,4 der unter anderem vorsieht, die Überwachung der EU- Außengrenzen auf See und aus der Luft mithilfe von Frontex zu verstärken.5

Ausführlichere Debatten zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

Deutscher Bundestag

Heinrich-Böll-Stiftung

Pro Asyl

Weitere Faktenchecks zu diesem Thema

europeannewsroom

dpa

 


Europäische Kommission (2023): Lampedusa: Kommissionspräsidentin von der Leyen legt 10-Punkte-Plan vor (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Frontex (2024): Who we are (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Bundeszentrale für politische Bildung (2023): Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024); Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union (2024): Migrations- und Asylpaket (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

European Commission (2023): 10-Point Plan for Lampedusa (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Europäische Kommission (2023): Lampedusa: Kommissionspräsidentin von der Leyen legt 10-Punkte-Plan vor (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)