Einwanderung ist „keine Lösung” für Fachkräftemangel

 

Das Narrativ

Der Fachkräftemangel sei nur ein Vorwand, damit mehr Migrant*innen über einen legalen Weg nach Deutschland einwandern könnten. Laut diesem Narrativ könne Einwanderung das Problem des Fachkräftemangels nicht beheben.

 

Die Argumentation

Dieses Narrativ teilt den Fachkräftemangel beliebig in einen realen und einen vermeintlich durch Medien und Politik erfundenen Fachkräftemangel ein. Basierend auf dieser Einteilung sei der angeblich reale Fachkräftemangel durch verschiedene Maßnahmen, wie bspw. die Rekrutierung von Arbeitskräften innerhalb Europas, überwindbar. Daher bestehe kein Bedarf, Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Deutschland einwandern zu lassen.

Laut dieser Erzählung sei das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im November 2023 in Kraft getreten ist, wenig aussichtsreich. Es würde lediglich die Einwanderung für nicht bzw. gering qualifizierte Menschen aus Drittstaaten nach Deutschland vereinfachen. Daher sei mit einer verstärkten Einwanderung von nicht bzw. gering qualifizierten Menschen aus Drittstaaten nach Deutschland zu rechnen.

Um diese Behauptungen zu untermauern, werden Aussagen von Politiker*innen aus dem Kontext gerissen und die Berichterstattung u. a. zum Bürgergeld verzerrt interpretiert.

 

Keywords, die ein Hinweis auf das Narrativ sein können

‘Das Märchen vom Fachkräftemangel’ I ‘Fachkräftemangel-Lüge’ I ‘Mehr Bildung statt Ideologie’

 

Gegenargumente

Es gibt keinerlei Belege dafür, dass der Fachkräftemangel lediglich als Vorwand für eine verstärkte Einwanderung nach Deutschland dient. Tatsächlich ist der Fachkräftemangel in Deutschland zu einem branchenübergreifenden Problem geworden, das sowohl die Politik als auch die Wirtschaft herausfordert.

Eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln zeigte bereits 2017, dass zwei von drei Stellen in sogenannten Engpassberufen unbesetzt blieben oder schwer zu besetzen waren.1 Die Mehrheit der unbesetzten Stellen erfordert Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung. Die Situation wird voraussichtlich noch kritischer: Prognosen deuten darauf hin, dass die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland bis 2060 um mehrere Millionen sinken wird.2

Die Ursachen des Fachkräftemangels sind vielfältig. Ein entscheidender Faktor ist der demografische Wandel in Deutschland. Mit einer zunehmenden Alterung der Bevölkerung gehen mehr Menschen in Rente, als junge Arbeitskräfte nachkommen, was zu einem spürbaren Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung führt.3 Hinzu kommen unter anderem die Akademisierung der Arbeitswelt, die fortschreitende Digitalisierung mit neuen Anforderungen an die Arbeitskräfte und die sich wandelnden Berufspräferenzen und Erwartungen an den Arbeitsplatz.4

Das Potenzial für Fachkräfte aus der EU ist begrenzt. Viele europäische Länder sind mit ähnlichen demografischen Herausforderungen wie Deutschland konfrontiert. Außerdem haben sich die Einkommensunterschiede zwischen den EU-Mitgliedsländern verringert und das Migrationspotenzial nach Deutschland abgenommen.5 Entgegen der Behauptung ist der Fachkräftemangel durch Rekrutierung von Arbeitskräften innerhalb Europas nicht überwindbar und die Anwerbung von Fachkräften aus Drittstaaten außerhalb der EU notwendig.6 Um dem Mangel an Fachkräften entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung daher das Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz erleichtert es Fachkräften aus Nicht- EU-Ländern, nach Deutschland zu kommen, indem die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse vereinfacht wird und neben der Berufsausbildung nun auch die Berufserfahrung zählt.7 Da das Gesetz aus mehreren Teilen besteht und bis Juni 2024 schrittweise in Kraft tritt, ist es derzeit noch nicht möglich, vorherzusagen, wie viele Menschen aus Drittstaaten mit welchen Qualifikationen in Zukunft einwandern werden.

Zusätzlich zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Bundesregierung im Sommer 2023 auch ein Aus- und Weiterbildungsgesetz beschlossen, das darauf abzielt, die Qualifikation der Erwerbstätigen in Deutschland zu verbessern.8 Das zeigt, dass die Bundesregierung in diesem Bereich nicht ausschließlich auf Einwanderung setzt.

Weitere Informationen zum Fachkräftemangel und welche Bereiche besonders betroffen sind

Bundesagentur für Arbeit

 


Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2017): Fachkräfteengpässe in Unternehmen — Rezepte gegen den Fachkräftemangel: Internationale Fachkräfte, ältere Beschäftigte und Frauen finden und binden, S. 4 (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ( 2023): Das Erwerbspersonenpotenzial schrumpft bis 2060 um 11,7 Prozent (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Statistisches Bundesamt (o. J.): Demografischer Wandel (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (2023): Fachkräftemangel in Deutschland: Herausforderung und Wege in die Zukunft (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Jana Heigl (2023): #Faktenfuchs: Fachkräftemangel lindern — nur mit Zuwanderung? (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Andreas Peichl, Stefan Sauer, Klaus Wohlrabe (2022): Fachkräftemangel in Deutschland und Europa — Historie, Status quo und was getan werden muss, S. 73f. (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Die Bundesregierung (2024): Neue Wege zur Fachkräftegewinnung (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)

Die Bundesregierung (2023): Berufliche Aus- und Weiterbildung. Fit für die Arbeit von morgen (zuletzt aufgerufen am 04.04.2024)