Hass ist keine Meinung

Hass, Beschimpfungen und Drohungen gehören leider zum Arbeitsalltag vieler Journalist*innen. Das ist nicht akzeptabel. Die NdM stehen den Betroffenen von Hate Speech online und offline zur Seite. Weil Hass keine Meinung ist. Wir geben Tipps und Werkzeuge zur Hand, die Einzelpersonen und Redaktionen helfen, mit Hass im Netz umzugehen und wir haben Notfall-Kits entwickelt für alle Journalist*innen, die akut bedroht sind.

Was ist Hate Speech?

Zur Diskussion in Redaktionen hat unser No Hate Speech Movement die folgende Definition als Grundlage entwickelt: 

Hate Speech (dt. Hassrede) bezeichnet sprachliche Handlungen gegen Einzelpersonen und/oder Gruppen mit dem Ziel der Abwertung oder Bedrohung aufgrund deren Zugehörigkeit zu einer benachteiligten Gruppe in der Gesellschaft. Die Person oder Gruppe muss dafür rein zahlenmäßig nicht in der Minderheit sein, andersherum sind Minderheitengruppen nicht automatisch benachteiligt. Beispiele für Hassrede sind für uns Sexismus, (antimuslimischer) Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Klassismus (Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft), Ableismus (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung), Homo- und Transfeindlichkeit.

Hass gegen Journalist*innen

Hassrede richtet sich nicht nur gegen gesellschaftlich benachteiligte Personen, sondern auch gegen Menschen, die über diese (neutral oder wohlwollend) berichten oder sich für sie einsetzen. Besonders häufig betroffen sind Journalist*innen mit Einwanderungsgeschichte, bei denen sich der Hass nicht auf die von ihnen veröffentlichten Inhalte, sondern auf ihre (vermeintliche) Herkunft oder Hautfarbe konzentriert. Aber auch Journalist*innen, die zu bestimmten Themen berichten (z. B. über Geflüchtete, Migration, AfD, Rechtspopulismus und Sexismus) sind von Hate Speech betroffen. Im virtuellen Raum begegnet Hassrede (Online-) Redakteur*innen und freien Journalist*innen fast überall:

  • in der Community, also den Kommentarspalten auf der Homepage des Mediums selbst
  • in den Kommentarspalten der Social Media-Kanäle des Mediums
  • auf den privaten Social Media-Accounts der Journalist*innen
  • auf Blogs, in Foren und Online-Zeitschriften der Hater*innen
  • per E-Mail oder in anderen persönlich adressierten Nachrichten

Sich gegen Hate Speech wappnen

Es gibt keine absolute Sicherheit vor Hass. Doch mit ein wenig Vorbereitung trifft es Dich und Eure Redaktion unter Umständen weniger hart. Deshalb hier ein paar Tipps:

 

1. Hate Speech in Redaktionen zum Thema machen und Anlaufstellen einrichten

Chefredaktion und Geschäftsleitung müssen für das Thema sensibilisiert werden. Sie sollten Hassrede von sich aus ansprechen, noch bevor Betroffene den Weg zu ihnen finden müssen. Eine Möglichkeit, auf das Thema aufmerksam zu machen, sind regelmäßige Schulungsangebote. Sinnvolle Fragestellungen sind hierbei: 

  • Wie kannst Du dich selbst bestmöglich schützen? 
  • Welche Sicherheitsvorkehrungen sollten und müssen getroffen werden, auch für die Protagonist*innen in Beiträgen? 

Wir empfehlen eine Ansprechperson für Hate Speech in Redaktionen. Diese kann, muss aber nicht, der*die Chefredakteur*in sein. Redaktions- oder Betriebsrat sind weitere Möglichkeiten. Mitarbeiter*innen müssen im Fall von Betroffenheit eine juristische und psychologische Beratung in Anspruch nehmen können.

 

2. Ausreichend personelle Ressourcen schaffen

Es ist nahezu unmöglich, neben den regulären Aufgaben in der Redaktion Kommentare zu moderieren. Wir empfehlen daher, zusätzliche Stellen für die Kommentarmoderation zu schaffen. Sollten dafür keine Kapazitäten bestehen: Kommentarfunktion zumindest auf der eigenen Webpräsenz einschränken oder deaktivieren. 

 

3. Zu Mitarbeiter*innen stehen

Es braucht Zusammenhalt im Team und im Unternehmen: Eine häufige Strategie der Hater*innen ist der Versuch, die Mitarbeiter*innen bei Arbeitgeber*innen schlecht zu machen. Eine Presseaussendung der Geschäftsführung oder der Chefredakteur*in, auch via Social Media, kann das frühzeitig eindämmen. Auch das Social-Media-Team sollte von Unternehmensseite Zuspruch erfahren. In keinem Fall sollte die Verantwortung auf eine Einzelperson geschoben werden.

Das bedeutet auch, sich öffentlich ohne umfassende interne Klärung und Absprache nicht negativ zu Inhalten zu äußern. Während der Eskalationsphase einer Empörungswelle kann eine falsche Äußerung schnell als Freibrief zur Jagd auf Personen missbraucht werden. Zudem berichten Betroffene in der Rückschau immer wieder, wie wichtig die Solidarität von anderen und nicht zuletzt von Arbeitgeber*innen war und ist, wenn man sich „im Auge des Sturms“ befindet. Eher ungünstig ist hingegen die Aussage „Wir werden das intern prüfen“: Sie zeigt entweder, dass die Chef*innenetage nicht weiß, was passiert, oder dass man bereits Fehler eingesteht.
Mitarbeiter*innen selbst haben natürlich grundsätzlich das Recht auf freie Meinungsäußerung. Man kann sie dennoch bitten, während einer Empörungswelle vorsichtig zu sein. 

 

3. Netiquette, Argumentationsleitfaden und Krisenkommunikationsplan festlegen 

Vorab sollten grundsätzliche Regeln im Umgang mit  Kritik, aber auch mit menschenfeindlichen Reaktionen festgelegt werden. Diese sogenannte  Nettiquette sollte für alle Nutzer*innen gut sichtbar sein, damit die Kommentarmoderation darauf verweisen kann. 

Oft wiederholen sich Argumente von Hater*innen. Im Vorfeld lässt sich daher gut ein Argumentationsleitfaden erarbeiten. 

Zusätzlich ist ein Krisenkommunikationsplan wichtig. Der Plan legt fest, wie im Fall eine Shitstorm zu handeln ist:

  • Wie geht die als Redaktion mit dem Hass um? 
  • Wer muss ab welcher Eskalationsstufe einbezogen werden?
  • Wer reagiert auf Social Media überhaupt? Die Journalist*innen mit ihren privaten Accounts oder der Redaktionsaccount?
  • Gibt es eine feste Ansprechperson bei der örtlichen Polizei?

 

5. Privatsphäre schützen

Stellt sicher, dass die eigene Telefonnummer nirgends zu finden ist, weder im Telefonbuch noch auf Websites oder in sozialen Netzwerken. Wenn die Telefonnummer noch im Telefonbuch zu finden ist, lasst sie dort entfernen. Wenn die Telefonnummer auf einer Webseite zu finden ist, kontaktiert den*die Website-Betreiber*in. Diese*r ist dazu verpflichtet, die Daten zu löschen. “Who Is”-Dienste wie DENIC helfen, die Betreiber*innen ausfindig zu machen. Auch bei Google kann eine Löschung aus den Ergebnissen beantragt werden.

Gebt auf Websites/Blogs nie eine Privatadresse an, sondern z. B. die Anschrift eines Büros. Nennt im Impressum keine Telefonnummer – eine E-Mail-Adresse ist ausreichend.

 

6. Vor Identitästdiebstahl und Hacks schützen 

Nutzt sichere Passwörter. Ein Passwortmanager macht es einfacher, den Überblick zu behalten. 

Richtet für alle wichtigen Online-Dienste die Zwei-Faktor-Authentifizierung ein. 

Wir empfehlen Profile, wenn möglich, auf privat (z. B. auf Instagram) bzw. richte Profile ein, die Du ausschließlich für berufliche Zwecke nutzt und über die keinerlei private Informationen veröffentlicht werden.

 

7. Netzwerke aufbauen und über Erfahrungen sprechen 

Es ist ratsam, sich online Netzwerke aufzubauen aus Gleichgesinnten, die im Falle eines Shitstorms oder bei Hate Speech- Angriffen einspringen, um Rückhalt zu geben,  zu unterstützen und ein Gegengewicht zu bilden, z. B., indem sie ein Gegennarrativ entwickeln. 

Sprecht mit eurem privaten und beruflichen Netzwerk: Ihr seid nicht allein und müsst die Situation nicht allein meistern.

 

8. Zeit nehmen

In den meisten Fällen dauern Empörungswellen oder Shitstorms nur wenige Tage, in denen man kaum etwas tun kann, um den Mob zu beruhigen. In dieser Phase dringt man mit neuen Informationen so gut wie nie durch. Haltet euch vor Augen: Ein Shitstorm ist zwar dringend, aber nicht zwingend wichtig. Wichtig ist eher zu verstehen, was tatsächlich passiert ist: wer regt sich worüber warum auf? 

Wer sich vorschnell ohne eine Antwort auf diese Fragen entschuldigt, bittet unter Umständen für etwas um Verzeihung, für das man sich nicht hätte rechtfertigen müssen, worunter am Ende die Glaubwürdigkeit leidet. Doch eine Analyse der Empörungswelle kostet Zeit. Das kann man, wenn man möchte, auch transparent machen, indem zum Beispiel gepostet wird: „Wir haben mitbekommen, dass sich viele aufregen. Wir schauen uns das an. Lasst uns in Ruhe arbeiten.“

 

 

 

Unsere Tools und Handreichungen

Der Helpdesk – guter Rat und konkrete Hilfe

 

Hier gibt es die wirksamsten Gegenstrategien für alle gängigen Formen von Hassangriffen und Wissen über präventive Maßnahmen, um Hate Speech vorzubeugen, Konktakte zu Initiativen gegen Hass im Netz, alles über Meldemöglichkeiten oder die rechtliche Einordnung von Hassrede und vieles mehr.

 

Wetterfest durch den Shitstorm- Leitfaden für Social-Media-Redakteur*innen

 

Hier können Redaktionen u.a. nachlesen, wie sie ihre Abläufe optimieren können, um sich besser gegen Hass im Netz zu wappnen, wie die gängigsten Strategien sind, um Hassrede wirksam begegnen, und welche rechtlichen Schritte gegen Hate Speech möglich sind.