Klare Kante statt Kuscheln: HATE. SO SAD. Wie Journalist:innen mit Hass im Netz umgehen

Unter dem Titel „Hate. So Sad. Wie Journalist:innen mit Hass im Netz umgehen“ veranstalteten die Neuen deutschen Medienmacher:innen am 7. Oktober 2017 in Berlin ihre diesjährige Bundeskonferenz. In zwei Workshops und einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion wurden den teilnehmenden Journalist:innen Werkzeuge an die Hand gegeben, um mit Hate Speech umgehen zu können – denn Hass und Hetze sind in den sozialen Netzwerken nicht selten an der Tagesordnung. In den Kommentarspalten werden Minderheiten angegriffen, hinzu kommt die virale Brandstiftung von rechtsextremen Gruppen und Parteien. Auch der Hass auf Journalist:innen nimmt zu, bestätigt eine gemeinsame Studie des Mediendiensts Integration und dem Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld: Immer häufiger werden Journalist:innen direkt angegriffen. „Der Hass richtet sich gegen den Berufsstand“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Andreas Zick und fügt hinzu, dass insbesondere Themen wie Migration und Islam Hass und Hetze erzeugen.

 

Wetterfest durch den Shitstorm: Wie Journalist:innen mit Hate Speech umgehen können

 

Im ersten Workshop gaben Ellen Wesemüller, Redaktionsleiterin der No Hate Speech Kampagne der Neuen deutschen Medienmacher:innen, und Hannes Ley, Gründer der Facebook-Gruppe #ichbinhier, Handlungsempfehlungen für Journalist:innen, um Hass im Netz zu kontern. Dabei wurde ein erster Entwurf eines praktikablen Leitfadens vorgestellt, den die NdM im Laufe der nächsten Monate zur Verfügung stellen werden. Außerdem gaben beide einen Ausblick auf die zukünftige Zusammenarbeit der No Hate Speech Kampagne und der Aktionsgruppe.

 

Hate Speech online hat konkrete Auswirkungen auf die Arbeit von Journalist:innen, zögert doch die Hälfte tatsächlich aktiv zu werden und zu kontern, erklärte Ellen Wesemüller und nahm Bezug auf die Studie des Mediendiensts Integration. Doch Redaktionen und Journalist:innen könnten viel tun, um die eigenen Kommentarspalten nicht verkommen zu lassen, so Wesemüller. Nicht zuletzt müssten die Redaktionsabläufe optimiert werden, um effektiv und nachhaltig die Kommentarkultur zu verbessern. Wesemüller präsentierte zudem Strategien, um auf verschiedene Typen von Hater:innen zu reagieren, aber auch um Argumentationsweisen zu entkräften. Dabei betonte sie die Wichtigkeit von Gegenrede, nicht notwendigerweise für die Hater:innen, aber eben für die Menschen, die mitlesen und sich eine Meinung bilden wollen.

 

Derweil berichtete Hannes Ley von den Erfahrungen und Ergebnissen der Facebook-Aktionsgruppe #ichbinhier. Er hob den teamorientierten Ansatz der Gruppe hervor und betonte, dass man als Einzelperson häufig mit den Hasskommentaren überfordert sei. Ley sagte überdies, dass man viel von den Hater:innen lernen könne, da diese sich in den sozialen Netzwerken organisierten, um gegen bestimmte Menschen und Medienseiten zu hetzen. Er ging weiter auf die Strukturen und Abläufe innerhalb der Gruppe ein, sprach aber auch über erste Auswirkungen. So bekämen die Mitglieder von #ichbinhier in den Kommentarspalten immer weniger Gegenwind, im Gegenteil: Die Hater:innen „verzögen“ sich sobald die Gruppe aktiv wird.

 

Was Journalist:innen über die Rechtslage wissen sollten

 

Zeitgleich erklärten die Jurist:innen Christoph Fischer und Josephine Ballon in einem zweiten Workshop die Rechtsgrundlagen im Bereich Hate Speech online, aber auch das jüngst in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Jochen Markett, freier Mitarbeiter der No Hate Speech Kampagne, moderierte den Workshop.

 

Anfangs erläuterte Christoph Fischer die rechtlichen Änderungen, die das NetzDG mit sich bringt, ausführlich. Das kontrovers diskutierte Gesetz ist am 1. Oktober in Kraft getreten und soll die Kommentarkultur in den sozialen Netzwerken verändern, indem Plattform-Anbieter dazu gezwungen sind, strafrechtlich relevante Inhalte und Kommentare zu entfernen. Zwar zweifelte Fischer die zeitlichen Vorgaben des NetzDGs an, brauchen doch auch Jurist:innen mehrere Tage und Wochen, um festzustellen ob Kommentare offensichtlich rechtswidrig sind. Dennoch bringe das Gesetz auch Vorteile, darunter den Auskunftsanspruch für Betroffene sowie die Forderung nach einer repräsentativen Person der verschiedenen Netzwerke in Deutschland.

 

Des Weiteren stellten Josephine Ballon und Christoph Fischer verschiedene Straftatbestände vor, die für Hate Speech online relevant sind, darunter Beleidigung, Volksverhetzung und der Aufruf zu Gewalttaten. Beide Jurist:innen erklärten die Funktionsweise eines Strafverfahrens und gaben praktische Tipps, um juristisch erfolgreich gegen Hassreden im Netz vorzugehen.

 

Lügenpresse auf die Fresse? Wenn Journalist:innen zum Ziel von Hass werden

 

Am Abend diskutierten Jana Pareigis (ZDF), Anna-Mareike Krause (tagesschau), Michel Abdollahi (NDR), Daniel Bax (NdM, taz) und Anatol Stefanowitsch (FU Berlin) über (ihre) Strategien gegen Hassreden im Netz. Idil Baydar führte als Moderatorin durch den Abend und sprach verschiedene Aspekte an, darunter persönliche Erfahrungen der Gäste, aber auch den Einfluss von Hate Speech online auf die journalistische Arbeit.

 

 

 

Anna-Mareike Krause betonte, dass die Mehrheit der Kommentare bei der Tagesschau keine Hasskommentare seien. Zwar seien die Hater:innen lauter und auffälliger, stellten aber dennoch die Minderheit, so Krause. Ihre Strategie gegen Hassreden online: „Es bringt nichts, mit Hater:innen verbal zu kuscheln - wir müssen ihnen vielmehr zeigen, dass wir ihnen keine Bühne bieten.“ Auf die Frage, ob er wegen des Hasses bestimmte Themen meide, antwortete Michel Abdollahi, dass er von den Themen rund um die Türkei die Finger lasse. „Es juckt mich ja nicht, mich mit anderen Leuten anzulegen, sondern ich zeige, was Sache ist. Ich suche keinen Ärger mit Leuten, aber die suchen den mit mir,“ sagte Abdollahi über den Hass, der ihm in den sozialen Netzwerken entgegenschlägt. Jana Pareigis verwies auf die Verantwortung von Journalist:innen und griff die unüberlegte Nutzung und Verbreitung des Begriffs „Döner-Morde“ als Beispiel auf: „Wir müssen uns als Journalist:innen auch fragen, wie wir zu einer hasserfüllten Stimmung beitragen, wenn wir rassische Bilder teilen. Das provoziert eben auch rassistische Kommentare.“ Auch NdM-Vorstandsmitglied Daniel Bax kritisierte, dass Journalist:innen so dazu beigetragen hätten, die NSU-Morde zu verharmlosen. Indes stellte Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch fest, dass „wir einen Normalfall haben, der finanziell abgesicherte, deutsche, weiße, (kulturell) christliche Männer schützt“.

 

Fazit des Abends: Hassreden im Netz sind kein neues Phänomen, aber Journalist:innen können durch reflektierte Berichterstattung dazu beitragen, dass rassistische Bilder und Stereotype nicht geteilt werden. Viel wichtiger als die Auseinandersetzung mit den Hater:innen ist außerdem das Empowerment betroffener Menschen im Netz.

 

 

 

Text: Sina Laubenstein, Fotos: Mosjkan Ehrari