Newsletter vom 15. April 2025

Was nicht "klar" ist: Was macht der ÖRR da?

Wieso die ARD-Reportagereihe KLAR den Auftrag des ÖRR nicht erfüllt

Hallo zusammen,

Danke für Euer Feedback auf unseren Newsletter – wir haben genau hingehört Kürzere Texte, dafür mehr Links, mehr Tiefgang, mehr Community. Manche wünschen sich mehr Updates von uns, andere echte Begegnungen. Viele feiern unsere Einschätzungen – einige hätten gern mehr Kontext. Unser erstes Zwischenfazit: Ihr habt absolut recht. Und deshalb geht’s weiter mit dem Feintuning.

Was ist neu?
Wir haben jetzt feste Kategorien für Euch – damit Ihr schneller findet, was Euch interessiert:

Was gibt’s Neues? Updates von den NdM: Projekte, Personalien, was gerade bei uns passiert. Diesmal ein Porträt von unserer Vorstandsvorsitzenden Ella Schindler, ein neues Projekt für Foto-Journalist*innen, und noch viel mehr.

Im Fokus Ihr wolltet Deep Dives – wir liefern. Wir ordnen die ARD-Reportagereihe “KLAR” für Euch ein.

3 Fragen an… Wir sprechen mit spannenden Journalist*innen über ihre Arbeit, ihren Alltag und ihre Perspektiven. Diesmal: Yağmur Ekim Çay.

Auf dem Radar Lese- und Medientipps, die Ihr nicht verpassen solltet. 

Mehr davon, danke! Wir feiern gute Beispiele aus der Medienwelt (ja, wir können auch nett). Diesmal sagte Deutschlandfunk Kultur “Eid Mubarak”.

Was denkt Ihr? Sagt es uns hier. Außerdem: Wir suchen noch nach einem Namen für den Newsletter. #InspirationGesucht

Deine Neuen deutschen Medienmacher*innen

Was gibt's Neues?

Unser neues Projekt (Foto-)Journalist*innen of Colour und/oder mit Flucht- und Migrationsgeschichte zwischen 18 und 35 aus Berlin und Umgebung aufgepasst: “Beyond the Frame - junge Perspektiven auf Vielfalt im Glauben” sucht Euch! In Workshops mit Medien-, Religions- und Foto-Profis lernst du diskriminierungssensible Bildsprache und begleitest junge Menschen aus Berliner Religionsgemeinschaften. Deine Fotos erscheinen bei “Gesellschaftsbilder” und in einer Social-Media-Kampagne. In Kooperation mit Hillel Deutschland e.V. und dem Jungen Forum der Religionen Berlin statt. Mehr dazu

Porträt über Ella Schindler Das Bayerische Fernsehen hat unsere Co-Vorstandsvorsitzende Ella Schindler in den "Lebenslinien" porträtiert. Sie spricht über ihren Weg von der Ukraine nach Franken, übers Ankommen, über Sprache und Sichtbarkeit. Zum Porträt in der ARD-Mediathek

Hi, migrantische Community Mit unserem Projekt “Spotlight” stärken wir migrantische Selbstorganisationen darin, selbstbewusst ihre Arbeit sichtbar zu machen. Im April hatten sich bei uns mehr als 70 Engagierte aus 42 migrantischen Selbstorganisationen aus dem gesamten Bundesgebiet angemeldet. Wir sind begeistert von diesem Interesse. Im Juni starten wir mit der nächsten Staffel. Die Trainings werden von Expert*innen mit Migrationsgeschichte aus unserem Netzwerk geleitet. Weitersagen und jetzt anmelden.

Investigativ-Fellowship 2025 ist gestartet Sechs junge Journalist*innen wurden aus 97 Bewerbungen ausgewählt: Maria Kotsev (für den Spiegel), Yasemin Said (für die taz), Magdalena Weingart (für LaboM), Athithya Balamuraley (für das ZDF Magazin Royale), Miriam Davoudvandi (für die SZ) und Karim Natour (für RTL News/stern Investigativ). Das Fellowship von Netzwerk Recherche & NdM fördert seit 2021 Talente mit Migrationsgeschichte, Armuts- oder Rassismuserfahrung – mit Praktika, Stipendium, Workshops und Konferenzen.

Ein Interview zu Diversität und Sport Ronny Blaschke spricht mit unserer Geschäftsführerin Elena Kountidou zum Thema Diversität im Sport für den Deutschlandfunk. Ja, mit neun von 26 Spielern war die (männliche) deutsche Nationalmannschaft letztes Jahr ein Spiegelbild der Gesellschaft, aber das ist nicht Gang und Gebe im organisierten Sport in Deutschland. Hier reinhören

Im Fokus

Migration in der ARD-Reportage „KLAR“

Der Anlass Die neue ARD-Reportagereihe KLAR (BR/NDR) will sich „kontroversen Fragen“ widmen, die „zu lange ausgeblendet“ wurden. In der ersten Folge geht es um Migration – erneut also ein Thema, das ohnehin medial stark präsent ist. Unsere Kritik: Die Reportage verknüpft Migration mit Kriminalität, lässt fast ausschließlich migrationskritische Stimmen zu Wort kommen, und verzichtet weitgehend auf faktenbasierte Einordnung. Der Auftrag des ÖRR ist es, faktenbasiert zu informieren – nicht, Ängste zu schüren. Unser Instagram-Post dazu wurde breit rezipiert – über 20 Medien haben ihn zitiert.

Die Einordnung Migration ist seit Jahren eines der meistbehandelten Themen in deutschen Medien. Doch wie darüber berichtet wird, ist oft einseitig erzählt und daher verzerrt. 
Diese Beobachtung bestätigt auch die Forschung. Eine Studie der Uni Mainz und Stiftung Mercator (2021) zeigt: Medien berichten über Geflüchtete überproportional oft im Zusammenhang mit Kriminalität und betonen vor allem negative Folgen für die öffentliche Sicherheit. Ihre Perspektiven bleiben dagegen weitgehend unsichtbar. Auch Medienforscher Thomas Hestermann kommt zu dem Schluss: Migration wird meist als Problem erzählt.

Lese-Empfehlungen dazu
“Der Diskurs zu Kriminalität und Zuwanderung muss sachlicher werden”, sagen Prof. Marcel Fratzscher und Prof. Anna Bindler in ZEIT ONLINE.

Dirk Knipphals für taz: “Was passiert hier? Eine schleichende Öffnung nach rechts? Die Vermutung kann man haben.”

Stephan Maus für Stern: “Historisch gesehen haben die Öffentlich-Rechtlichen einen klaren Auftrag: Demokratie gewährleisten. Sie wurden von den Alliierten ins Leben gerufen, um aus einem Haufen barbarischer Nazis halbwegs anständige Demokraten zu machen. Sie sollten Brandmauer sein. Aber inzwischen ist die ARD nicht mehr Brandmauer, sondern wird immer öfter Brandbeschleuniger.”

Auf dem Radar

“So verzerren Medien das Bild von Muslimen” 89 % der TV-Beiträge bei RTL und im Ersten negativ. ZAPP fragt: Wie entsteht dieses Bild? Zur Doku

Klagen als Waffe SLAPPs sollen Kritiker*innen einschüchtern, so diese ZAPP-Doku. Die Otto-Brenner-Stiftung zeigt, wie genau. “Gegenrechtsschutz” hilft. Mehr dazu

Berichterstattung zu Gaza Journalist*innen kritisieren mangelnde Standards und „Doppelstandards“ in deutschen Redaktionen. Emotionen dominieren, sachliche Debatten fehlen. An dieser Stelle: Einen großen Dank an die Kolleg*innen, die seit 18 Monaten darauf hinweisen. Zur Übermedien-Recherche

Der neue Bundestag “Die neue Zusammenstellung des Bundestags nach der Wahl wird auch die Kommunikation zur Bundespolitik auf Social Media verändern,” zeigt eine Studie von Pressrelations. Zur Studie

“Masterplan” Eine neue Doku auf ARD zeigt, wie Correctiv das Geheimtreffen 2023 im Adlon aufdeckte – mit Jean Peters undercover vor Ort. Mehr daz

“Rausländer – unsere Koffer sind gepackt.” Waslat Hasrat-Nazimi über Alltagsrassismus in Deutschland. Jetzt im Handel. Zum Buch

“Der letzte Himmel” Alena Jabarine erzählt von ihrer Suche nach Palästina – persönlich, politisch, poetisch. Ab 02.05. im Handel. Zum Buch

Unabhängiger Journalismus geht auch ohne Milliardär*innen Diese fünf Medien weltweit beweisen es. Mehr dazu (Englisch)

Frauen bleiben in der Medienbranche unterrepräsentiert Laut Reuters Institute sind weltweit nur 27 % der Chefredaktionen mit Frauen besetzt – trotz 40 % Journalistinnenanteil. Zur Studie (Englisch)

3 Fragen an Yağmur Ekim Çay

Yağmur Ekim Çay ist freie Reporterin aus Frankfurt. Sie arbeitet unter anderem als Landeskorrespondentin für die taz und hat bei der Frankfurter Rundschau volontiert. Das "Medium Magazin" zählte sie 2023 zu den „Top 30 bis 30".

NdM: Gibt es eine Geschichte, die Du gemacht hast – und bei der Du dachtest: Genau deshalb mache ich diesen Job?

YEÇ: ”Ja. 2022 habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Gregor Haschnik für die Frankfurter Rundschau – und 2025 noch einmal für die taz – Ibrahim Akkus getroffen. Er hat den rassistischen Anschlag von Hanau 2020 schwer verletzt überlebt. Aus irgendeinem Grund kennt ihn kaum jemand. Seine Geschichte wurde nie richtig erzählt, obwohl er nun seit fünf Jahren leidet. Dass ich seine Geschichte erzähle, war mir unglaublich wichtig – auch wenn es sehr schwer war. Aber genau deshalb bin ich froh, diesen Job zu machen. Denn vielleicht kennen nun ein paar mehr Menschen die Geschichte von Herrn Akkus.”

NdM: Was brauchst Du, um Dich in einem Redaktionskontext wirklich gehört zu fühlen?

YEÇ: “Eigentlich ist es ganz simpel: Kolleg:innen, die  zuhören und Verständnis dafür haben, dass ich manchmal ganz andere Perspektiven und Themen habe. Und Kolleg:innen, die es wissen, dass Diversität in Redaktionen nicht dadurch entsteht, dass ich als „die Migrantin“ gesehen werde, sondern dass ich einfach als Yağmur da sein darf – mit meinen Recherchen, meinen Themen, meinem Blick auf die Welt.”

NdM: Was motiviert Dich an Tagen, an denen Du am liebsten alles hinschmeißen würdest?

YEÇ: “Solche Tage gibt es leider oft. Aber ich weiß, wir leben in schwierigen Zeiten – und dass guter Journalismus gerade jetzt besonders wichtig ist und es immer mehr Geschichten gibt, die erzählt werden müssen. Und genau bei solchen Geschichten und in meinem Themengebiet spüre ich Verantwortung. Das treibt mich an.”

Mehr davon, danke

Das Thema: „Ya Leilet El Eid“ von Umm Kulthum lief bei Deutschlandfunk Kultur – und mit ihr ein selten schöner Moment im deutschen Radio: Zum Ende des Fastenmonats Ramadan wurde ein arabischer Klassiker gespielt, verbunden mit einem liebevollen Blick auf das Fest.

Warum das wichtig ist? Weil viele Menschen in Deutschland Eid feiern – aber das mediale Echo oft ausbleibt. Und weil nicht alle Muslim*innen arabische Musik hören, es aber trotzdem gut tut, wenn öffentliche Sender mit solchen Gesten Präsenz und Vielfalt zeigen. Zum Post