Was wir aus der Corona-Berichterstattung lernen können

Die Herausforderungen, die sich durch die Corona-Pandemie für den Journalismus ergeben, sind groß – bergen aber auch Chancen.

Die Herausforderungen, die sich durch die Corona-Pandemie für den Journalismus ergeben, sind groß – bergen aber auch Chancen. Die Wertschätzung für unabhängige, verlässliche und professionelle Nachrichten ist gestiegen, der breit aufgestellte öffentlich-rechtliche Rundfunk sehr gefragt. Ziehen wir aus dieser Krisenzeit die richtigen Schlüsse, können wir unseren Beruf nachhaltig und zum Besseren verändern. Vertrauen und Vielfalt im Journalismus können wir auch ohne Krise haben. Hier Beobachtungen, die wir auch jenseits der Pandemie für sinnvoll halten:

  1. Ausgeglichene Berichterstattung braucht keine Rechtspopulist:innen

    In der Krise scheint sie nicht mehr ganz so beliebt: Die Meinung von Rechten und Rechtspopulist:innen. Sie sitzen nur noch selten in Talkshows, werden nicht überall zitiert und kommen auch nicht in jedem Nachrichtenbeitrag vor. Warum? Weil sie zur gesellschaftlichen und politischen Debatte kaum anderes beizutragen haben als Angstmacherei, Diskriminierung, Verschwörungstheorien und Hetze. Sie liefern keine konstruktiven Ansätze und schon gar keine Lösungen. Das wussten wir vorher schon. Daran sollten wir uns auch nach der Krise erinnern.
  2. Wissenschaftliche Expertise einbinden hilft

    In der Krise schätzen wir sie: Wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Einschätzung von Wissenschaftler:innen und Expert:innen spielt eine große Rolle in der Debatte um richtige Handlungsstrategien in der Corona-Krise und prägt den Ton. Das wünschen wir Neue deutsche Medienmacher*innen uns auch, wenn es um gesellschaftliche und politische Debatten geht – denn auch hier haben Wissenschaftler:innen viel beizutragen. Doch wie man gerade bei den Themen Migration, Integration und Rassismus gut beobachten kann, gehen ihre Stimmen oft in impulsiven, emotional geführten Debatten unter. Das zu ändern, liegt an uns Journalist:innen.
  3. Hohe Nachfrage geht auch ohne Panikmache

    Im März 2020 hatten die Tagesthemen laut ARD 60 Prozent mehr Zuschauer:innen als ein Jahr zuvor. Der Tagesschau folgten in den letzten zwei Märzwochen jeden Abend im Durchschnitt 16 Millionen Zuschauer:innen.
    Was die Menschen sehen, hören und lesen wollen, ist seriöse Berichterstattung, die auf Fakten basiert. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) veröffentlichte Anfang April ein ähnliches Ergebnis. Laut einer Befragung ist für 86 Prozent der Menschen die Tageszeitung eine wichtige Orientierungshilfe in dieser Krise. Diese Ergebnisse zeigen: Nicht mehr die lauten Medien, die mit Stimmungsmache trommeln, sind gefragt, sondern jene, die sachlich informieren, ohne bewusst Ängste zu schüren. Seriosität und Sachlichkeit zahlen sich aus.
  4. Medien brauchen vielfältige Perspektiven

    Auch das galt natürlich schon vor der Krise. Dass Vielfalt aber nicht nur ein nettes Accessoire in der Berichterstattung ist, sondern absolut essenziell für die demokratische Rolle der Medien, wird zurzeit überdeutlich. Wir als Gesellschaft müssen erfahren, wie es Alleinerziehenden, Geflüchteten, People of Color*, Pflegenden, Obdachlosen, Kleinunternehmer:innen und vielen anderen ergeht – denn nur so können Solidarität und notwendiges Handeln entstehen. Als Interessenvertretung für eine diverse Medienlandschaft wissen wir: Diese Vielfalt muss sich in der Zusammensetzung der Redaktionen, in der Arbeitsweise und im Ergebnis der journalistischen Arbeit widerspiegeln. Wir als Neue deutsche Medienmacher*innen setzen uns schon lange für eine Berichterstattung ein, die die Perspektiven aller gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigt. Mit Krise oder ohne.

 

Der Vorstand
Neue deutsche Medienmacher**innen
Berlin, den 16. April 2020

 

Die Neuen deutschen Medienmacher*innen sind ein bundesweiter Zusammenschluss von Journalist:innen mit und ohne Migrationsgeschichte, die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.


Stellungnahme als PDF


*People of Color ist eine Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrung, die nicht als weiß, deutsch oder westlich wahrgenommen werden. Dabei wird jedoch keine Hautfarbe beschrieben, sondern eine gesellschaftliche Zugehörigkeit.