Die Neuen deutschen Medienmacher:innen verleihen zum zweiten Mal die „Goldene Kartoffel“. Der Preis für besonders unterirdische Berichterstattung geht an Medien oder Journalist:innen, die ein verzerrtes Bild vom Zusammenleben im Einwanderungsland Deutschland zeichnen oder an Sendungen und Formate, die Probleme und Konflikte immer wieder grob überzeichnen, Vorurteile verfestigen und gegen journalistische Standards verstoßen.
Preisträger:innen der „Goldenen Kartoffel“ 2019 sind die vier politischen Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen:
- hart aber fair (Frank Plasberg, ARD)
- maischberger (Sandra Maischberger, ARD)
- Anne Will (Anne Will, ARD)
- maybrit illner (Maybrit Illner, ZDF)
Die Jury hat sich für die politischen Talkshows von ARD und ZDF entschieden, obwohl sie in Inhalt und Ausführung qualitative Unterschiede erkennt. Entscheidend war, dass alle in den letzten Jahren den oben genannten Kriterien entsprachen.
Zur Begründung der Jury:
Laut Programmauftrag sollen die Sender des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks informieren, bilden und unterhalten – die politischen Talksendungen haben also einen Bildungsauftrag. In der Umsetzung merkt man davon leider wenig:
- Die Ankündigungen sind oft reißerisch und mit plumpen Fragen versehen, bspw. „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“, „Bürger verunsichert – Wie umgehen mit kriminellen Zuwanderern?“, „Angst vor dem Islam: Alles nur Populismus?“, „Gekommen, um zu bleiben. Neue Zuwanderer, alte Probleme?“
- Die Inhalte fördern oft Klischees, statt sie abzubauen. Die Sendungen zu den Themen rund um Migration, Geflüchtete und Islam zeichnen sich durch Vorurteile und Panikmache aus. Fast immer geht es um Extremismus, Kriminalität und andere Bedrohungen durch Migrant*innen und ihre Nachkommen.
- Die Gästeauswahl ist häufig diskriminierend, der Diverstitätsmangel in vielen Sendungen bestechend. Besonders auffällig ist die ständige Abwesenheit von Schwarzen Menschen und People of Color*, die sich – wenn überhaupt – oft nur in Sendungen zu Migrationsthemen wiederfinden, als würden Themen wie Rente, Pflege, Klima usw. einen erheblichen Teil der Gesellschaft nicht betreffen. Ein Viertel der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund – das sollte sich überall widerspiegeln.
Kurz: Den politischen Talkshows gelingt es nicht, tiefergehend zu informieren, vielfältige Perspektiven einzubinden und Ressentiments abzubauen. Stattdessen wird hier Rassismus behandelt wie jeder andere Standpunkt auch.
„Diese Goldene Kartoffel ist ein Fall enttäuschter Liebe“, erklärt Jury-Vorsitzende Sheila Mysorekar. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte sich an alle Bürger:innen richten – er wird ja auch von allen bezahlt. Wenn aber ausgerechnet die Talkshows unserer ARD und unseres ZDFs Rechtsradikalen und Rassisten immer wieder Sendezeit schenken, hingegen nur selten ernstzunehmende Vertreter und Vertreterinnen ethnischer und religiöser Minderheiten einladen, dann werden sie ihrem Auftrag nicht gerecht.“
Zum Preis und zur Jury:
Vorschläge für den Preis können Mitglieder aus dem bundesweiten Netzwerk der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) nominieren. Die Jury besteht aus dem ehrenamtlichen Vorstand des Vereins. Sie wählt nach den oben genannten Kriterien die Preisträger:innen aus.
Zur Preisverleihung:
Verliehen wird die „Goldene Kartoffel“ im Rahmen der Bundeskonferenz der Neuen deutschen Medienmacher:innen am 2. November 2019, ab 20 Uhr, im Südblock, Admiralstr. 1-2, in Berlin.
Die NdM-Bundeskonferenz steht dieses Jahr unter dem Motto: „Haltung – oder soll man es lassen?“. Die Preisträger:innen sind eingeladen und werden mit einer Laudatio durch die NdM-Vorsitzende Sheila Mysorekar offiziell gewürdigt.
Pressevertreter:innen können sich zur Podiumsdiskussion (20 Uhr) und der anschließenden Verleihung der „Goldenen Kartoffel“ hier anmelden.
Die Neuen deutschen Medienmacher:innen sind ein bundesweiter Zusammenschluss von Journalist:innen mit und ohne Migrationsgeschichte, die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen. Wir sind politisch unabhängig, nationalitäten- und konfessionsübergreifend.
*People of Color ist eine Selbstbezeichnung von Menschen mit Rassismuserfahrung, die nicht als weiß, deutsch oder westlich wahrgenommen werden. Damit wird jedoch keine Hautfarbe beschrieben, sondern eine gesellschaftliche Zugehörigkeit.