Die Einschränkung von Rechten, rassistische Narrative und der Ruf nach verschärften Kontrollen bestimmen den Mediendiskurs. Entmenschlichung ist an der Tagesordnung. Zehn Jahre nach dem “Sommer der Migration” wird wieder öffentlich in Frage gestellt, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist. Menschenrechte, Fakten und Perspektiven von Geflüchteten bleiben auf der Strecke. Die Neuen deutschen Medienmacher*innen warnen vor einer weiteren Normalisierung rechtsextremer und menschenfeindlicher Debatten und machen konkrete Vorschläge für eine konstruktive und menschensrechtsbasierte Berichterstattung.
Der Diskurs hat sich dramatisch verschoben: Aus „Willkommenskultur“ wurde „wir schieben im großen Stil ab“. Begriffe wie „Grenzschließung“, „irreguläre Migration“, „Abschiebeoffensive“, „Migrationswende“ und „Migrationsdeckel“ dominieren die politische und öffentliche Debatte. Der von Rechtsextremen geprägte Begriff „Remigration“, der Anfang 2024 noch Empörung hervorrief und Millionen auf die Straße trieb, ist im Sommer 2025 normalisiert. Rechtsextreme Verschwörungsnarrative vom „großen Kontrollverlust“ haben es in Bundestagsdebatten und Talkshows geschafft. Aus „Wir schaffen das!“ wurde „Schaffen wir das noch mal?“
Rechtsextreme haben den Diskurs in der Migrationsdebatte maßgeblich verschoben. Und große Teile der Politik und Medienlandschaft laufen ihm hinterher. Während das Grundrecht auf Asyl an den Außengrenzen ausgehebelt wird, prägt ein rhetorischer Dammbruch nach dem nächsten die Schlagzeilen – auf Kosten von Minderheiten. Geflüchtete erleben derzeit ein erschreckendes Maß an öffentlichen Anfeindungen, Pauschalisierungen und Verdächtigungen.
Allein 2024 wurden laut Bundesinnenministerium über 2.500 Straftaten gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte verzeichnet – viele davon waren mit Gewalt verbunden. Die mediale und politische Resonanz: erschreckend gering.
Wir sagen: Das darf nicht normal sein.
Seit über zehn Jahren fordern wir, dass guter Journalismus Menschen in den Mittelpunkt stellt – und nicht entmenschlichende Debatten. Dies bedeutet:
- Geflüchtete zu Wort kommen lassen
Beiträge, die Geflüchtete nicht als anonyme Masse zeigen, sondern sie zu Wort kommen lassen, ihre Geschichten, Perspektiven und Lebensrealitäten sichtbar machen – mit Fokus auf Fluchtursachen, individuellen Erfahrungen und Teilhabe in der Gesellschaft. Diese persönliche Ebene schafft nicht nur Empathie, sondern trägt auch maßgeblich dazu bei, Vorurteile abzubauen und ein tieferes Verständnis für die komplexen Herausforderungen von Migration zu fördern. - Kontinuierliche Berichterstattung
Migration ist kein Krisenthema. Nur eine regelmäßige Berichterstattung kann das vollständige Bild von Migrant*innen zeichnen. Wie eine Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2024 zeigt, bleiben die langfristigen Herausforderungen und Erfolge von Migrant*innen oft unerwähnt. Eine kontinuierliche Berichterstattung würde helfen, ein vollständigeres Bild zu zeichnen. - Verantwortungsvoller Umgang mit Sprache und Framings
Begriffe wie „Migrationskrise“ oder „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „strenge Migrationspolitik” sind nicht neutral – sie transportieren gezielt Narrative. Journalist*innen sollten differenziert formulieren, einordnen und damit Debatten versachlichen. - Geeignete Bilder
Es braucht eine Bildsprache, die auf stereotype oder entmenschlichende Darstellungen verzichtet und stattdessen Vielfalt, Respekt und Selbstbestimmung sichtbar macht. - Fundierte Berichterstattung
Während Meinungsbeiträge wichtig bleiben, sollte der Fokus verstärkt auf fundierten Recherchen und noch nicht ausreichend behandelten Themen in Bezug auf Migration und Einwanderungsgesellschaft liegen. Es gibt viele unbeachtete Aspekte, die sorgfältiger Analyse und Berichterstattung bedürfen.
Weiterführende Informationen
Mit Fakten gegen Falschinformationen
Die gängigsten Falschinformationsnarrative drehen sich um das Thema Migration. Wir haben zehn weit verbreitete falsche Narrative über Migration zusammengefasst und mit Fakten widerlegt.
https://neuemedienmacher.de/wissen-tools/falschinformationen/
Empfehlungen für besseren Journalismus über Einwanderungsgesellschaft und Migration
Der Leitfaden zeigt Wege auf, wie Journalist*innen endlich Narrative hinterfragen und neue Ansätze finden können, die unsere Gesellschaft realistisch und respektvoll darstellen.
https://neuemedienmacher.de/wissen-tools/berichten-ueber-einwanderungsgesellschaft/
Sprache schafft Wirklichkeit
Formulierungshilfen, Erläuterungen und alternative Begriffe für die Berichterstattung in der Einwanderungsgesellschaft gibt es in unserem Glossar.
https://glossar.neuemedienmacher.de/themen/
Chronologie des "Flüchtlingsjahrs" 2015
Im Jahr 2015 stieg die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland und in Europa innerhalb weniger Monate deutlich. Welche Ereignisse haben das "Flüchtlingsjahr" 2015 geprägt? Eine Übersicht des Mediendienst Integration
https://mediendienst-integration.de/artikel/chronologie-des-fluechtlingsjahrs-2015.html
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