Newsletter vom 21. August 2025

Zwischen Sex-Bots, Hate und Burnout

Community-Redakteur*innen haben das ganze Jahr über stets sehr viel zu tun. Sieben Forderungen für besseren Community-Journalismus

 

Hallo zusammen,

dieser Newsletter erreicht Euch wahrscheinlich mitten im Urlaub. Aber wie Ihr wisst, die Welt bleibt nicht stehen, und Menschen kommentieren weiterhin in den sozialen Medien. Was bedeutet: Community-Redakteur*innen haben das ganze Jahr über stets sehr viel zu tun. Um ihre Arbeit sichtbarer, wertgeschätzter und wirksamer zu machen, haben wir mehrere Forderungen für besseren Community-Journalismus formuliert.

Dazu: ein Gespräch mit Hussam Al Zaher, Gründer von kohero magazin, unsere kommenden Veranstaltungen in Köln, Bonn und München, handverlesene Lesetipps zu KI, Polizei, Kriminalität, Syrien und Gaza, und eine Best Practice zum Thema Inklusion.

Los geht’s.

Was gibt's Neues?

Beyond the Frame: Projekt-Update Wie setzen junge Fotograf*innen Glauben vielfältig in Szene? Auf Instagram geben wir Einblicke. Wir waren mit Loredana Zafisambondaoky und Djouama Hussein bei einem Fototermin dabei. Djoumana sprach über ihre Leidenschaft für Sport, Loredana über ihre fotografische Perspektive. Unser Projekt “Beyond the Frame” bringt junge (Foto-)Journalist*innen mit religiösen Menschen zusammen und entwickelt diskriminierungssensible Bildsprachen. Zum Instagram-Reel

Role Model Talk mit Tessniem Kadiri: Rückschau Im August haben wir mit Tessniem über Einstiege in den Journalismus gesprochen. Ihre Top-Tipps: “Seid delulu” (direktes Zitat!) und traut euch Jobs zu, redet offen über Geld, verabredet euch zu Kaffee-Dates mit Redakteur*innen und Journalist*innen und vernetzt euch auf Konferenzen, in Verbänden und bei den NdM. 

Wir haben die 10.000 auf LinkedIn geknackt Seit Jahresbeginn ist unsere Community dort um mehr als 3.000 Menschen gewachsen und damit so groß wie nie zuvor. Danke an alle, die liken, teilen und kommentieren: Ihr macht unsere Inhalte sichtbar und gebt uns Rückenwind! Wer uns noch nicht auf LinkedIn hat, hier geht’s lang.

Unsere nächsten Veranstaltungen

Kostenlose Online-Workshops: Öffentlichkeitsarbeit & Social Media für MSOs
Im August ist unsere neue Staffel gestartet. Wir bieten praxisnahe Workshops für alle, die sich in migrantischen Selbstorganisationen engagieren und ihre Themen klar, klug und kraftvoll in die Öffentlichkeit bringen wollen. Geleitet werden die Workshops von erfahrenen Trainer*innen mit Migrationsgeschichte. Aus der Praxis, für die Praxis. Hier anmelden

Online-Workshop: Wording. Diskriminierungsfrei Kommunizieren
4. September 2025, 10:00–16:00 Uhr, via Zoom
Mit Amal Schütz

Online-Workshop: Öffentlichkeitsarbeit. Die Basics
17. September 2025, 10:00–16:00 Uhr, via Zoom
Mit Sara Mously

Online-Workshop: Texten. In der Schreibwerkstatt
24. September 2025, 10:00–16:00 Uhr, via Zoom
Mit Sara Mously

NRW-Stammtisch in Köln
16. September 2025, 19 Uhr, Köln (genauer Ort wird bekanntgegeben)
Der Stammtisch in NRW ist aus der Sommerpause zurück! Damit wir besser planen können, meldet euch an bis zum 12.09.2025 unter nrwmentoring@<wbr />neuemedienmacher.de

Vortrag: Analyse, Kritik und Perspektiven der deutschen Nahost-Berichterstattung
23. September 2025, 18:00 Uhr, Online
In diesem einstündigen Online-Vortrag beleuchtet die Kommunikationswissenschaftleri<wbr />n und Medienkritikerin Nadia Zaboura anhand Grimme-nominierter Analysen die deutsche Berichterstattung zum Nahostkonflikt. Sie zeigt wissenschaftlich fundiert auf, wo die größten Problemfelder liegen, wo journalistische Exzellenz sichtbar wird, und welche konkreten Auswege zu mehr Vertrauen und Qualität im Journalismus führen können. Mehr dazu

Unser Panel beim b° future festival 2025: “Vielfalt in Redaktionen: Warum diverse Perspektiven die Berichterstattung verändern”
3. Oktober 2025, Bonn
Das b° future festival ist ein Festival für zukunftsorientierten Journalismus und konstruktiven Dialog, organisiert vom Bonn Institute. Karolina und Anna sind auch dabei und diskutieren gemeinsam mit anderen Journalist*innen, wie mehr Vielfalt in Redaktionen die Migrationsberichterstattung verändern kann und welche Strukturen dafür nötig sind. In einem Coaching-Format geben die beiden Tipps für den Berufseinstieg in den Journalismus Mehr dazu

Unser Panel bei den Medientage München 2025: “Das kann KI nicht”
24. Oktober 2025, München
Die Konferenz findet dieses Jahr unter dem Motto „This is Media“ statt. Auch hier sind wir dabei. Jutta und Elena zeigen anhand von 1.700 Posts und 85.000 Kommentaren, wie Social-Media-Berichterstattung über Migration oft rassistische Stereotype verstärkt und wo KI eher Problem als Lösung ist. Mehr dazu

Im Fokus

Sieben Forderungen für besseren Community-Journalismus

Der Anlass: 
Community-Arbeit in Redaktionen geht weit über das Löschen von Hasskommentaren hinaus: Community-Redakteur*innen recherchieren, prüfen Fakten, moderieren Debatten und sichern digitale Räume. Trotzdem fehlt vielen Medienhäusern die Anerkennung dieser Arbeit als journalistischer Beruf. Unterbesetzte Teams stehen einer Flut von Hass und Desinformation gegenüber, und das oft ohne Ausbildung, Strategie oder Unterstützung. Workshops, Interviews und unser Monitoring im Projekt „BetterPost“ zeigen: Das Problem ist strukturell.

Wir fordern:
Community-Journalismus muss als Teil der publizistischen Verantwortung gesehen werden und braucht Anerkennung, Ausbildung, Schutz und eine klare Strategie. Wer Kommentarspalten sich selbst überlässt, überlässt sie den Lautesten und verspielt Vertrauen.

Unsere sieben Forderungen: 

  1. Rebranding: Community-Redakteur*in statt Manager*in Die Rolle umfasst journalistische Aufgaben und sollte auch so benannt und anerkannt werden.

  2. Ausbildungs-Update: Moderation als Kernkompetenz Deeskalation, Counter Speech und Schutz vor Hate Speech gehören in jede journalistische Aus- und Weiterbildung.

  3. Mehr Personal, mehr Tools, mehr Budget Zukunftsfähige Community-Arbeit braucht ausreichende Ressourcen, gut ausgestattete Teams, sowie passende Software.

  4. Schutz ist Chef*innen-Sache Persönliche Angriffe und Belastung im Umgang mit Hass sind kein Berufsrisiko, sondern erfordern Rückendeckung auf Führungsebene, sowie psychologische und juristische Unterstützung.

  5. Ganzheitliche Strategien statt Kommentar-Kosmetik Demokratische Debatten brauchen strategische Leitlinien – eine Netiquette reicht nicht.

  6. KI als Werkzeug – nicht als Ersatz Künstliche Intelligenz kann unterstützen, aber nicht ersetzen. Entscheidungen müssen Journalist*innen mit klaren Regeln für den Einsatz von KI treffen.

  7. Mehr Diversität in den Teams Redaktionen sollen die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln. Das gilt auch für Social Media.

BetterPost ist Teil von toneshift - Netzwerk gegen Hass im Netz und Desinformation, gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!” vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Mehr dazu

Auf dem Radar

Die Rolle von Medien bei rechten Aussagen Eine neue Studie zeigt, dass britische Medien eindeutig zur Zustimmung zu rechten Aussagen beitragen, vor allem wenn diese Aussagen in der Berichterstattung nicht hinterfragt werden. Sebastian Wellendorf bei Deutschlandfunk spricht mit Florian Foos, dem Co-Autor der Studie. Mehr dazu

Hungersnot in Gaza Fotos abgemagerter Kinder werden von israelischer Regierung und rechten Stimmen als Fake oder Propaganda abgetan. Übermedien zeigt, wie diese Debatte von der realen Hungersnot ablenkt und Zweifel an authentischem Bildmaterial gezielt gestreut werden. Mehr dazu

Gezielte Tötung von Journalisten in Gaza Reporter ohne Grenzen verurteilt den Angriff der israelischen Armee, bei dem Al-Dschasira-Reporter Anas al-Sharif und fünf Kollegen getötet wurden. RSF spricht von einem Kriegsverbrechen und fordert eine internationale Untersuchung. NdM sieht das genauso. Mehr dazu

“Mein Leben nach Assads Sturz” Der Reporter Sulaiman Tadmory floh vor über zehn Jahren aus Syrien und lebt heute als deutscher Staatsbürger in Hamburg. Nachdem Assad im Dezember 2024 gestürzt wird, kehrt Tadmory in seine Heimat zurück. “STRG_F” begleitet ihn mit einer Reportage. Mehr dazu

Weniger Klicks durch KI-Zusammenfassungen Laut Pew Research klicken Google-Nutzer*innen 50 % seltener auf Quellenlinks, wenn die Seite eine KI-generierte Zusammenfassung zeigt. Das wirft neue Fragen zur Sichtbarkeit journalistischer Inhalte auf. Zur Studie (Englisch)

Neue Datenbank zu Praktikumsgehältern im Journalismus Wie viel zahlen deutsche Medien für Praktika? Die Plattform praktikumsgehalt.de liefert ab dem 18.7. transparente Zahlen – basierend auf Anfragen an über 400 Redaktionen. Ein Projekt von Oskar Vitlif.

Leitfaden: Bessere Berichte über Kriminalität & Polizei Der journalist zeigt, wie Medien rassistische Verzerrungen, Copy-Paste aus Polizeimeldungen und Täter-Fixierung vermeiden können. Es gibt konkrete Tipps für eine verantwortungsvolle Kriminalitätsberichterstattung<wbr />. Zum Leitfaden

Buch-Tipp: “Herz aus Stacheldraht – Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten” Die Journalistin Sophia Maier reist nach Syrien, Afghanistan, Palästina, in den Libanon, die Ukraine und an die EU-Außengrenzen. Sie erzählt von Menschen auf der Flucht, und das mit einem kritischen Blick auf die Verantwortung des Westens. Mehr dazu & der Lesetour

Buch-Tipp: “Black(ness) in German African Studies” Woher kommt unser Wissen über Afrika? Dieses Buch untersucht die Wissensproduktion über Afrika und seine Diaspora, anti-schwarze Strukturen in der deutschen Wissenschaft, epistemische Hierarchien und die Universität als Gatekeeperin. Es thematisiert die spezifisch deutsche Scheu im Umgang mit der kolonialen Vergangenheit sowie die Schwierigkeit, in Deutschland über „race“ und „Blackness“ zu sprechen. Die Beiträge stammen von Studierenden der Afrikastudien an deutschen Universitäten. Mehr dazu

3 Fragen an Hussam Al Zaher

Wir haben mit Hussam Al Zaher gesprochen. Hussam Al Zaher ist Gründer und Chefredakteur des kohero magazin. 2015 kam er aus Syrien nach Deutschland und hat mit kohero eine Plattform geschaffen, die Stimmen von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte hörbar macht – in Artikeln, Podcasts und einem Printmagazin. Sein Ziel: durch Journalismus Brücken bauen und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Welche Allianz oder Kooperation wünschst Du Dir – bzw. mit wem müsste kohero sich zusammentun, um noch mehr Wirkung zu entfalten?
Mein Traum und Wunsch ist, dass die vielen migrantischen Plattformen im deutschsprachigen Raum zusammenarbeiten. Gemeinsam könnten wir eine große migrantische Plattform schaffen, die die Perspektiven migrantischer Menschen sichtbar macht. Wir sind viele, und es gibt zahlreiche Journalist*innen mit Migrationsgeschichte, die große Erfahrung mitbringen (ich selbst lerne viel von ihnen). Doch bisher ist es uns leider nicht gelungen, wirklich zusammenzuarbeiten – obwohl wir es müssten.

Welche drei Skills sollten Journalist*innen mit Migrationsgeschichte stärken, um in deutschen Redaktionen nicht nur mitzuspielen, sondern mitzuentscheiden?
Viele verfügen bereits über diese Skills. Doch oft fehlen ihnen Netzwerke, Kontakte und Räume, um diese Verbindungen überhaupt aufzubauen. Neben Netzwerken geht es vor allem darum, Geschichten aus den Communities zu entdecken und in die Redaktionen hineinzutragen.

Was ist eine journalistische Arbeitsweise oder Erzählform, die Du aus Syrien mitbringst – und die dem deutschen Journalismus guttun würde?
Ich habe in Syrien nicht sehr viel journalistische Erfahrung gesammelt, aber eines habe ich gelernt: immer viele Fragen zu stellen – und nie aufzuhören, nach Antworten auf diese Fragen zu suchen.

Das Interview haben wir auf unserem Instagram-Kanal fortgeführt. Zum Reel

Mehr davon, danke

Das Thema: Inklusion nur auf dem Papier?

Diese SZ-Recherche zeigt, was passiert, wenn Diskriminierung mehrfach greift: Ein Mann mit Behinderung und Migrationsgeschichte arbeitet Vollzeit im Supermarkt, bleibt aber offiziell Werkstattbeschäftigter für 395 Euro im Monat, ohne regulären Vertrag. Unternehmen umgehen gesetzliche Quoten, sparen Millionen und verkaufen das als Inklusion.

Warum das wichtig ist?

Weil hier nicht Meinung transportiert wird, sondern Daten, Gesetzeslücken und persönliche Geschichten miteinander verbunden werden. Die Recherche macht deutlich, wie ein System Vielfalt vorgibt und gleichzeitig Menschen im Niedriglohn festhält.

Zur SZ-Recherche (Paywall)