Rechtsextremismus bleibt die größte Gefahr für unsere Demokratie

Betroffene erhalten trotzdem kaum mediale Aufmerksamkeit

Zum fünften Jahrestag von Hanau erinnern wir an die Gefahr von Rechtsextremismus und geben fünf Hinweise für sorgfältige Berichterstattung über politisch motivierte Gewalt.

Zum fünften Jahrestag von Hanau erinnern wir an die Gefahr von Rechtsextremismus und geben fünf Hinweise für sorgfältige Berichterstattung über politisch motivierte Gewalt.

Vor fünf Jahren wurden Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov am 19. Februar 2020 Opfer eines rechtsextremen und rassistisch motivierten Anschlags in Hanau. Seitdem kämpfen ihre Angehörigen sowie Überlebende für Aufklärung, Aufmerksamkeit und Konsequenzen. Ihr Engagement reicht über Hanau hinaus – sie fordern die Anerkennung aller Opfer rechtsextremer, rassistischer oder antisemitischer Gewalt. Denn rechtsextreme Gewalt nimmt weiter zu und ist nach wie vor die größte Gefahr für unsere Demokratie.

Währenddessen richtet sich die mediale Aufmerksamkeit auf rechtspopulistische Wahlkampf-Parolen, die marginalisierte Gruppen nicht als bedroht, sondern als Bedrohung darstellen. Ob psychisch Erkrankte, Geflüchtete oder Menschen mit Einwanderungsgeschichte – sie alle werden zur vermeintlichen Gefahr gemacht. Dabei sind sie diejenigen, die vom ansteigenden Rechtsextremismus bedroht sind. Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte nehmen zu, 218 politisch motivierte Angriffe gab es allein im letzten Jahr. Sie reihen sich ein in knapp 34.000 rechtsextrem motivierten Straftaten, die das Bundesinnenministerium von Januar bis November 2024 registrierte, davon über 1.100 Gewaltdelikte. Rechtsextreme Straftaten steigen an, aber die mediale Aufmerksamkeit sinkt.

Während ein Täter mit Fluchthintergrund die gesamte Medienlandschaft beschäftigt und im Bundestag Brandmauern einreißen lässt, warten die Angehörigen zahlreicher rechtsextremer Gewalttaten noch immer auf politische Konsequenzen und mediale Aufmerksamkeit. Selbstverständlich muss über eine grauenvolle Tat wie in Aschaffenburg berichtet werden. Doch anstatt auf Politiker*innen, die die Tat für Wahlkampfzwecke instrumentalisieren, sollte der Fokus auf die Opfer und ihre Angehörigen, auf gute Recherche und die Perspektiven von Expert*innen gelegt werden. Journalist*innen entscheiden, wer im Mittelpunkt der Berichterstattung steht – Betroffene, reale Ursachen für Gewalt oder populistische Hetzkampagnen.

Damit die größte Gefahr für unsere Demokratie nicht aus dem Blick gerät, hier fünf Hinweise zu sorgfältigem Journalismus über rechtsextreme Gewalt:

  • Betroffene ins Zentrum stellen: Es braucht Empathie, um über Gewalt zu berichten. Vor allem gegenüber Betroffenen und ihren Angehörigen. Auf ihnen sollte der Fokus liegen, nicht auf Täter*innen.
  • Keine Verstärkung von Falschbehauptungen oder Hetze: Journalist*innen sollten Narrative von Politiker*innen, die Gewalt für eigene Zwecke instrumentalisieren, nicht unkritisch übernehmen, sondern hinterfragen und faktenbasiert einordnen. Wer Falschbehauptungen oder Hetze wiederholt, trägt zu ihrer Verbreitung bei – selbst wenn sie im Beitrag widerlegt werden. Die Berichterstattung muss klarstellen, dass Politiker*innen Falschbehauptungen verbreiten, nicht darauf, welche sie verbreiten.
  • Verzerrung vermeiden: Rechtsextreme Gewalt tritt statistisch häufiger auf als jede andere Form der politisch motivierten Kriminalität. Die Berichterstattung setzt jedoch den Schwerpunkt trotzdem vor allem auf die sogenannte "Ausländerkriminalität". Es geht nicht darum, Themen auszulassen, sondern die Realität korrekt darzustellen.
  • Strukturelle Ursachen recherchieren: Es braucht mehr journalistische Recherche zu rassistisch motivierten, antisemitischen und rechtsextremistischen Straftaten – auch wenn sie nicht sofort als solche eingestuft werden und in politischen Debatten kaum vorkommen. Auch die Recherche über ein mögliches Behördenversagen ist Aufgabe des Journalismus. Statt als gesellschaftliches Randphänomen sollte Rassismus als strukturelles Phänomen thematisiert und kontinuierlich besprochen werden.
  • Politische Verantwortung benennen: Medien sollten nicht nur Narrative von Politiker*innen hinterfragen, sondern auch deren Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen sichtbar machen. Welche politischen Entscheidungen tragen zur Verschärfung oder Ignoranz gegenüber rechtsextremer Gewalt bei? Kritischer Journalismus bedeutet nicht nur zu berichten, was gesagt wird, sondern auch, was getan (oder unterlassen) wird.

In Hanau kämpfen Angehörige der Opfer und Überlebende rechtsextremer Gewalt weiterhin für lückenlose Aufklärung, gegen Behördenversagen und für die Anerkennung der Gefahr, der rassifizierte Menschen ausgesetzt sind.

Pressekontakt:

presse​neuemedienmacher.de

Tel.: 030 269 472 30

Die Neuen deutschen Medienmacher*innen sind ein ehrenamtlicher Verein, der sich für mehr Vielfalt im Journalismus stark macht. Als bundesweite NGO von Journalist*innen setzen wir uns für diskriminierungskritische Berichterstattung, divers besetzte Redaktionen und gegen Hass im Netz ein. Mehr Infos unter: neuemedienmacher.de

 

 

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