Von Erkan Arikan
Als ich vor fast zwei Jahrzehnten für die Unternehmenswebseite meines Arbeitgebers gefragt wurde, was denn meine Ziele seien habe ich nicht lange überlegen müssen: „Ich möchte gerne Vorbild für alle Journalist:innen sein, die im Medienberuf vorankommen wollen!“ Natürlich sagte ich das damals mit einer gewissen Naivität, denn was bedeutet „vorankommen“ eigentlich? Intendant mit ausländischen Wurzeln zu werden? Agenda Setting zu betreiben, damit man als Entscheider diverse Themen ins Programm bringen kann? Vielleicht beides. Denn in meiner fast 30-jährigen journalistischen Karriere habe ich nie eine:n Intendant:in, eine:n Chefredakteur:in oder gar eine:n Hauptabteilungsleiter:in mit diversen Wurzeln kennen gelernt. Ja, bis zu dem Tag, als ich bei der Deutschen Welle vor fast genau zwei Jahren angefangen habe.
Vom ersten Tag an wusste ich: Hier bin ich richtig. Denn Diversität im Programm wird hier großgeschrieben. Aber auch Diversität in der Ebene der Entscheider:innen. Nicht zuletzt hat die DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge genau dieses Thema zu Beginn ihrer Ernennung auf ihre persönliche Agenda gesetzt. Und so kam es, dass sie durch ein diverses Team von fünf DW Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlichen kulturellen und fachlichen Hintergründen unterstützt wird. Sie sind Expert:innen auf ihrem journalistischen Gebiet und stehen im regelmäßigen Austausch mit den DW Mitarbeitenden, um ihre Anregungen und Ideen in die Chefredaktion zu tragen. Unter ihnen sind Jaafar Abdul-Karim, Kristin Zeier, Chiponda Chimbelu, Sandra Petersmann und meine Wenigkeit.
In Ihrer Antrittsrede sagte Manuela Kasper-Claridge: „Die DW steht für große kulturelle Vielfalt. Bei uns arbeiten Journalistinnen und Journalisten mit den unterschiedlichsten Wurzeln und mit viel Verständnis für die Nutzerinnen und Nutzer in den Zielregionen weltweit. Es war mein ausdrücklicher Wunsch, dass sich dies auch in der Chefredaktion widerspiegelt. Ich freue mich deshalb sehr über die neuen Mitglieder der Chefredaktion, die das Haus und mich in meiner Arbeit beraten werden. Mit ihren individuellen Stärken und Kenntnissen werden sie inhaltlichen Input geben, der gerade auch in Bezug auf die weitere Digitalisierung sehr wichtig ist.“
Ein diverses Team zu schaffen, diesen Schritt zu gehen bedarf nicht nur einer gewissen Erfahrung, sondern auch einer gewissen Empathie. Denn solche Entscheidungen können nicht durch eine „Revolution durch die Belegschaft“ hervorgerufen werden, sondern müssen zwingend von den Führungskräften kommen. Daher fühle ich mich sehr geehrt und bin auch sehr stolz, Teil der DW-Chefredaktion zu sein. Gleichzeitig würde ich mich sehr freuen, wenn auch andere Medienhäuser diesem Beispiel folgen würden. Denn da draußen gibt es eine Vielzahl sehr gut ausgebildeter Journalist:innen mit diversen Wurzeln, die professionellen Input in die Chefetage mehr als nur gerne einbringen würden.
Erkan Arikan, Leiter der Türkisch-Redaktion und Mitglied der Chefredaktion der Deutschen Welle sowie Mitglied des Vorstands der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Er ist ein Gastarbeiterkind der zweiten Generation. Ihm ist es besonders wichtig, dass, nach über 60 Jahren Einwanderung in Deutschland, die Menschen auch in den Medien entsprechend abgebildet und repräsentiert werden.
Foto: Deutsche Welle