Von Markus Ulrich
Wer wird wann wie wo repräsentiert – oder eben gerade nicht? Repräsentationen sind politisch und umkämpft. Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen (LSBT) kommen in der Berichterstattung kaum vor und wenn, dann prägen zu oft Klischees und Stereotype die Narrative. Es geht daher nicht ausschließlich um Sichtbarkeit per se, sondern immer auch um die Art und Weise der Sichtbarkeit.
1. selbstverständlich
LSBT kommen in Artikeln meistens nur vor, wenn es explizit um LSBT geht. Einige Redaktionen haben dankenswerterweise angefangen, auch gleichgeschlechtliche Paare zu zeigen und zu fragen, wenn es um prinzipielle Themen wie Partnerschaft, Familie oder Sexualität geht. LSBT sind Teil der Gesellschaft und sollten als Protagonist:innen auch in anderen Themen vorkommen – sei es in Berichten über Gesundheit, Alter, Schule, Migration, Jugend, Leben auf dem Dorf etc.
2. vielfältig
LSBT sind keine homogene Gruppe. Ihre Diversität fehlt aber oftmals in der Berichterstattung. Wenn der CSD als „Schwulenparade“ bezeichnet wird, fallen etwa Lesben, bisexuelle oder nicht-binäre Menschen wie so oft unter den Tisch. Außerdem werden Erfahrungen von LSBT auch durch etwa Hautfarbe, Staatsbürgerschaft, Religion, soziale Herkunft, Alter oder Vorhandensein einer Behinderung geprägt. Als Journalist:in diese Diversität zu zeigen verhindert auch, Klischees und Stereotype zu reproduzieren und LSBT auf ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu reduzieren.
3. diskriminierungskritisch
In Artikeln über Gewaltvorfälle findet sich oft eine implizite Täter-Opfer-Umkehr. Denn es kommt nicht zu Gewalt oder Diskriminierung, weil das Opfer trans: ist oder ein gleichgeschlechtliches Paar Händchen hält, sondern weil die Täter:in homo- oder transphob ist. CSDs werden in fast allen Berichten als „schrill“ beschrieben, ein Wort, das negative Assoziationen und Abwehr weckt. Dafür wird bestenfalls noch das Motto der Demonstrationen erwähnt. Die oftmals sehr konkreten politischen Forderungen werden ignoriert, obwohl jeder CSD-Verein diese aufstellt. Gänzlich abwegig wird es, wenn etwa Bilder von CSDs als Symbolbilder für Berichte über die Verfolgungsgeschichte von LSBT in Deutschland oder den Alltag von LSBT herhalten müssen. Beliebt sind aber auch anonyme Bilder händchenhaltender Männer von hinten, die kaum Empathie ermöglichen.
4. trans:sensibel
Die Verwendung falscher Personalpronomen, früherer Namen und alter Fotos vor dem Coming-out ist ein No-Go in der Berichterstattung über trans: Personen. Auch Formulierungen wie „war früher mal ein Mann“ oder „als Mädchen geboren“ sind falsch, denn sie implizieren, dass die Geschlechtsidentität von trans: Personen nicht ihr „wirkliches“ Geschlecht ist. Der Begriff der „Geschlechtsumwandlung“ geht ebenfalls nicht. Denn wenn überhaupt wird der Körper an die Geschlechtsidentität angeglichen. Aber Fragen nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen sind prinzipiell sehr übergriffig und voyeuristisch. Oder wie würden Sie sich fühlen, wenn jemand Sie nach Ihren Genitalien fragt? Um zu verdeutlichen, dass Transgeschlechtlichkeit auch nichts mit Sexualität zu tun hat, sollte der Begriff „transsexuell“ eher nicht verwendet werden.
5. verantwortungsvoll
Provokativ herabsetzende Aussagen gegen LSBT bringen Clicks und damit Geld. Medien sollen und müssen auch Meinungsvielfalt abbilden, aber sie stehen auch in einer ethischen Verantwortung, Diskriminierung und Ressentiments nicht zu befördern. Als Beispiel sei hier die Akzeptanzförderung in Kindergärten und Grundschulen genannt, die mit dem rechtspopulistischen Kampfbegriff der „Frühsexualisierung“ skandalisiert und diffamiert wird. Dabei wird (bewusst?) verkannt, dass es bei diesen Initiativen gar nicht um sexuelle Praktiken geht, sondern lediglich um Darstellung unterschiedlicher Familienformen und Geschlechterbilder.
Markus Ulrich ist Pressesprecher beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD), der größten Bürgerrechtsorganisation für die rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland und leitet dort seit 2014 auch das Hauptstadtbüro des Verbandes. Foto: Christine Fiedler