Shitstorm

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Shitstorms oder auch koordinierte Hass-Attacken sind ein effektives Mittel, politische Gegner*innen und Institutionen anzugreifen und zu beschäftigen. Solche Shitstorms, meist voller Hass und Hetze, können unterschiedlich aggressiv sein, sind meist koordiniert und überfluten die Betroffenen mit Hasskommentaren oder mindestens heftiger Kritik.

Koordinierte Attacken

Koordiniert heißt, dass in organisierten Netzwerken dazu aufgerufen wird ein bestimmtes Ziel mit Kommentaren anzugreifen. Zudem gibt es tatsächlich oft auch eine Art „Kommandozentrale“, die Befehle zum Ausschwärmen erteilt.

Das Netzwerk „Reconquista Germanica“ agiert(e) nach diesem Prinzip. Über den Chatkanal Discord wurden Tagesbefehle an alle Follower*innen erteilt: So wurde aufgetragen welche Person oder Institution angegriffen oder auch welches Ereignis mit eigenem Hashtag getrollt werden sollte. Der Youtube-Kanal von Reconquista Germanica (der im Herbst 2018 für User*innen aus Deutschland gesperrt wurde), hatte mehr als 30.000 Abonnent*innen. Inzwischen sind die rechten Aktivist*innen auf verschiedene andere Plattformen weitergezogen, wenn auch vermutet wird, dass auf Discord nach wie vor rechte Netzwerke aktiv sind.

Einschüchterung der politischen Opposition

Über Shitstorms versuchen die rechten Trolle Politiker*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen einzuschüchtern. Allein die schiere Menge an Kommentaren macht es kaum möglich, adäquat darauf zu reagieren.

Immer mehr Hass-Kampagnen

Shitstorms sind – nicht nur wie in der Vergangenheit durch Reconquista Germanica – immer häufiger koordiniert. Einer Studievon #ichbinhier und des London Institute for Strategic Dialoguezufolge hat der koordinierte Hass enorm zugenommen: Koordinierte rechtsextreme Online-Hasskampagnen sind seit Dezember 2017 im Schnitt mehr als dreimal so weit verbreitet (ca. 300.000 Posts /Monat) wie in den zehn vorangegangen Monaten (ca. 90.000 Posts /Monat). Hier zusammengefasst auf jetzt.de  nachzulesen.

Dabei haben die Foscher*innen und Aktivist*innen festgestellt, dass die Hälfte der Likes für Hasskommentare von den immer gleichen 5.500 Profilen verfasst werden. Dreh- und Angelpunkt sind rechtsextreme Chats aus Identitären Kreisen.

Nicht nur gezielte Einschüchterung von Journalist*innen, Politiker*innen und Aktivist*innen sind das Ziel solcher Hass-Kampagnen. Auch die Reichweite rechter Narrative nimmt zu: Denn die Hashtags rechtsextremer Kampagnen werden durch die enorme, koordinierte Weiterverbreitung durch rechte Profile von journalistischen Medien aufgenommen – damit gelingt es den rechten Netzwerken, ihre Themen in die gesellschaftliche Debatte zu bringen und Aufmerksamkeit zu erlangen.

Beispiel KiKA

Ende November 2017 porträtierte der Kinderkanal (KiKA) im Rahmen der Serie „Schau in meine Welt“ die Beziehung zwischen dem syrischen Geflüchteten Diaa und der 15-jährigen deutschen Malvina. Über einen Monat später griff ein YouTuber auf seinem Kanal die Sendung auf, warf dem KiKA Propaganda vor – und startete damit im Januar 2018 den bislang größten deutschsprachigen Shitstorm. Rund um den Hashtag #KiKAgate sammelten sich mehr als 120.000 Tweets: Dem KiKA wurde, unter anderem, die Romantisierung einer „gefährlichen Beziehung“ vorgeworfen, außerdem die „Islamisierung“ deutscher Kinder.

Beispiel Claudia Roth

Ein weiteres Beispiel war 2018 ein Shitstorm gegen die Vizepräsidentin des Bundestags Claudia Roth. Ein AfD-Abgeordneter hatte unangemeldet während einer Debatte im Bundestag eine Schweigeminute für ein junges Mädchen abgehalten, das von einem Geflüchteten getötet worden war. Schweigeminuten müssen jedoch laut Vorschrift im Bundestag angemeldet werden (sonst würde jede*r Abgeordnete zu jedem beliebigen Zeitpunkt Schweigeminuten einlegen können). Weil Claudia Roth diese Regel durchsetzte, wurde sie im Netz Opfer von massivem Hass von Rechts.

User*innen reagieren auf einen Post über die AfD mit reinem Hass. Dieser war, laut Analysen, koordiniert: Eine strategische Hass-Attacke.