Berlin – Am 28. November 2008 gründet sich die Initiative Neue deutsche Medienmacher:innen, der erste bundesweite Zusammenschluss von Journalist:innen mit Migrationshintergrund. Er ist unabhängig, nationalitäten- und konfessionsübergreifend und dient als Interessenvertretung für Journalist:innen „mit dem großen M“. Die Mitglieder eint das Ziel, die Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft in der Berichterstattung besser wiederzugeben – auch in den Redaktionsräumen. Denn obwohl fast jede:r vierte Einwohner:in im Land einen sogenannten Migrationshintergrund hat, gilt das nur für jede:n fünfzigste:n Journalist:in.
„In deutschen Redaktionen herrscht eine Monokultur“, sagt Marjan Parvand, Redakteurin bei der ARD-Tagesschau, „als Initiative von unten wollen wir das ändern“. Journalist:innen nichtdeutscher Herkunft in den Redaktionen – das müsse endlich eine Selbstverständlichkeit und Normalität werden.
Die Neuen deutschen Medienmacher:innen haben genug von sinnlosen Stereotypen im Medienalltag. Der Schläger Ali, die zwangsverheiratete Fatma oder der Hauptschüler Hassan, dessen Karriere als Drogenhändler vorbestimmt scheint – sie sind die tragischen Medienstars in Deutschland. Diese einseitige Darstellung von Zuwander:innen in den Medien ist für die Mitglieder der Initiative nicht länger hinnehmbar. Die Neuen deutschen Medienmacher:innen wollen Ansprechpartner:innen für interkulturellen Journalismus sein.
Als Journalist:innen, Ressortleiter:innen, Chefredakteur:innen, Bildredakteur:innen, Kameramänner und –frauen mit Migrationshintergrund wollen sie sich langfristig gegen diskriminierende und oberflächliche Berichterstattung wehren. Sie wollen sich einsetzen – nicht für eine beschönigende, sondern für eine realistische und sorgfältig recherchierte Berichterstattung über Migrant:innen in Deutschland.
Kemal Hür, freier Journalist aus Berlin, fordert außerdem, dass die Integration von Journalist:innen mit Zuwanderungsgeschichte auf Augenhöhe geschehen muss: „Wie selbstverständlich wurde ich immer als Experte für Migrationsthemen oder als ‚Türke vom Dienst’ behandelt. Nie wurde ich gefragt, ob ich des Türkischen überhaupt mächtig bin oder welche anderen Themengebiete ich bearbeiten will.“
Damit in Zukunft mehr Kolleg:innen mit Migrationshintergrund vor und hinter der Kamera, dem Mikrophon und an Redaktions-Schreibtischen vorzufinden sind, plant die Initiative die Förderung von interkulturellem Nachwuchs.
„Ich wollte Journalistin werden, seit ich denken kann“, sagt Özlem Sarikaya vom Bayrischen Rundfunk, „doch ich hätte nie daran geglaubt, das zu schaffen“. Sarikaya weiter: „Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie man dahin kommt und ich kannte auch niemanden, der mir dabei hätte helfen können.“ Genau bei diesem ersten Schritt könnten die Neuen deutschen Medienmacher heute schon helfen und Kontakte herstellen.
„Bei Jugendlichen aus Zuwandererfamilien muss man das Selbstbewusstsein stärken und ihnen klar machen, dass ihr Platz nicht automatisch am Rand der Gesellschaft ist“, so Sarikaya.